Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter hat sich mit einem erneuten Appell zur Einrichtung von Drogenkonsumräumen auch in Bayern an Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gewandt. «Die Stadt München sieht sich zunehmend mit den Herausforderungen des illegalen Drogenkonsums und dessen negativen Begleiterscheinungen konfrontiert», schrieb der SPD-Politiker in einem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Brief an Söder.
«Der hochriskante Konsum von Opioiden und anderen Betäubungsmitteln findet sehr häufig an öffentlichen und halböffentlichen Plätzen statt, an denen Unbeteiligte, darunter auch Kinder und Jugendliche, mitbetroffen und durch Spritzenfunde oder Verunreinigungen mit gefährdet sind», so Reiter.
Unverständnis bei Bürgerinnen und Bürgern
Die Stadt sehe sich immer wieder Forderungen von Anwohnern und Gewerbetreibenden gegenüber, dem Drogenkonsum in Hausgängen, Höfen, Tiefgaragen und auf offener Straße Einhalt zu gebieten. «Die Bürgerinnen und Bürger äußern dabei durchaus Verständnis für die Situation der abhängigen Menschen und zugleich zunehmendes Unverständnis dafür, warum kein Drogenkonsumraum eingerichtet wird.»
Nicht zuletzt die Gegend um den Hauptbahnhof als «Tor zur Stadt» sei betroffen. Es gehe aber auch um die Gesundheit der Drogenkonsumenten, die für Hilfsangebote nur in Einrichtungen erreichbar seien, in denen der Konsum möglich, beobachtbar und thematisierter sei, schrieb Reiter an Söder. «Wir beobachten einen steigenden Anteil hochriskant konsumierender Personen, die mit den herkömmlichen Hilfsangeboten nur schwer erreichbar sind und komplexe gesundheitliche Probleme aufweisen.»
Mehr HIV-Infektionen bei Drogenkonsumenten
Die Deutsche Aidshilfe hat vor Beginn der Welt-Aids-Konferenz nächste Woche mit der Ankündigung einer Eröffnung eines Drogenkonsumraums in München am Freitag für Furore gesorgt - gemeint ist die symbolische Aktion als politischer Appell zur Änderung der Gesetzeslage in Bayern, wie die Initiatoren dann klarstellten.
Die neuesten Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) zu HIV-Neuinfektionen 2023 zeigen einen Anstieg durch das Spritzen von Drogen mit Nadeln. Die geschätzten Zahlen nahmen demnach seit 2010 langsam, aber kontinuierlich zu. Dieser Anstieg sei besorgniserregend und verlange dringend nach Antworten in der Prävention, heißt es bei der Aidshilfe. Wichtig sei, ausreichend sterile Spritzen und andere Utensilien an diese Menschen auszugeben.
Staatsregierung lehnt Drogenkonsumräume weiter ab
Die Staatsregierung lehnte bisher Drogenkonsumräume strikt ab - obwohl mehrere Städte ein entsprechendes Angebot gerne einführen würden. «Es gibt gute Gründe für die ablehnende Haltung gegenüber Drogenkonsumräumen. Hauptargument ist der Widerspruch, dass der Besitz und Erwerb von bestimmten Drogen strafrechtlich zu verfolgen ist, deren Konsum aber in solchen Einrichtungen staatlicherseits toleriert würde. Die Duldung derartiger rechtsfreier Räume gefährdet die Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit», sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in einer Reaktion auf Reiters Appell.
Es sei klar, dass suchtkranke Menschen dringend Hilfe benötigten. Das Gesundheitsministerium setze hier unter anderem auf niedrigschwellige Substitutionsangebote oder Safer-Use-Maßnahmen wie Spritzentauschprogramme. Gefördert werde auch die Streetwork-Arbeit. In diesem Jahr investiert der Freistaat insgesamt rund 8,5 Millionen Euro in Suchtprävention und Suchthilfe.
Breites Bündnis für Räume zum geschützten Drogenkonsum
Reiter betonte hingegen, seit Jahren engagierte sich ein breites Bündnis aus Freier Wohlfahrt, Bezirkstag, bayerischen Städten und Bürgern für die Einrichtung von Räumen für einen geschützten Drogenkonsum auch in Bayern. 2018 hatte der Münchner Stadtrat auf Antrag der CSU-Fraktion einen Beschluss gefasst für eine medizinische Ambulanz mit Konsummöglichkeit und dieses Anliegen im Dezember 2020 wiederholt. Vor gut zwei Wochen bekräftigen alle Stadtratsfraktionen die Forderung nach einer solchen Einrichtung.
Die Beispiele aus anderen Bundesländern zeigten, dass sich Fragestellungen und Bedenken der Innen- und Justizressorts lösen ließen, schrieb Reiter. In vielen Großstädten seien die Einrichtungen inzwischen ein selbstverständlicher Bestandteil des Hilfsangebots für Drogenkonsumenten, aber auch der kommunalen Sicherheitskonzepte. «In Anbetracht des deutlich zunehmenden Handlungsdrucks ersuche ich Sie, die gesetzlichen Voraussetzungen für den Betrieb von Drogenkonsumräumen in Bayern zu schaffen», appellierte Reiter an Söder.
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