Es war eine dieser Geschichten, die in den wilden Corona-Zeiten zum Skandal stilisiert wurden: Zwei Unternehmen, die viel von Autofelgen und Tuning-Zubehör verstehen, aber wenig von medizinischer Ausrüstung, haben Schutzmasken aus China importiert, diese teuer an den Staat verkauft - und siehe da, die Qualität hat nicht gestimmt. Und zusätzlich hat einer von ihnen noch die Hilfe von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) in Anspruch nehmen wollen - zufällig ein Parteifreund.
Die Behörden ermittelten, die Staatsanwaltschaft ließ die beiden bis dato unbescholtenen Bürger - einer im Hauptberuf Finanzbeamter, der andere im Nebenamt Bürgermeister - erst einmal einsperren. Als sie nach ein paar Wochen freikamen, mögen viele schon geahnt haben, dass da möglicherweise ein bisschen zu weit geschossen wurde. Je mehr Gutachten von Anklage und Verteidigung in Auftrag gegeben wurden, je mehr Beweismittel gesichert wurden, desto mehr zerfielen die Vorwürfe in sich. Das Landgericht Nürnberg-Fürth entschloss sich, die Anklage gar nicht erst zuzulassen: «Keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung», lautete die Begründung.
Dass die beiden Männer nun doch vor genau dieser 16. Strafkammer erschienen, ist der Hartnäckigkeit der Staatsanwaltschaft zu verdanken. Die Behörde legte Widerspruch gegen die Nichtzulassung ein und erwirkte eine mündliche Verhandlung. Die Verteidigung der beiden Oberpfälzer konnte sich die Spitze zum Prozessauftakt nicht verkneifen: Niemand habe diesen Prozess gewollt, sagte Rechtsanwalt Wolfgang Heer. Mit Ausnahme der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth.
Dieser warf Heer sogleich schwere Ermittlungsfehler vor und bezeichnete das Ermittlungsverfahren als nicht fair. Die Staatsanwaltschaft habe gleich mehrfach geltendes Recht gebrochen und sei ihrer Verpflichtung zur Objektivität nicht nachgekommen. Unter anderem sei den Verteidigern nur schleppend und keinesfalls umfassend Akteneinsicht gewährt worden.
Die Männer aus dem Raum Neumarkt, Betreiber einer Handelsfirma für Autoteile, sollen in der Hochphase der Corona-Pandemie in großem Stil Schutzmasken aus China beschafft und sie an das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) sowie an weitere Abnehmer weiter verkauft haben. Zumindest ein Teil der Masken entsprach nicht den vertraglich vereinbarten Mindestanforderungen an die Qualität. Es sei somit ein Schaden in Höhe von weit über zwei Millionen Euro entstanden.
Doch haben die Verkäufer von den Mängeln gewusst? Kein Verkäufer sei davor gefeit, dass ihm mangelhafte Ware untergejubelt werde, meint die Verteidigung. Sie will die Unschuld ihrer Mandanten, von denen zumindest einer schwere psychische Probleme aus dem Masken-Schlamassel davongetragen habe, nachweisen. Unter anderem soll auch Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger als Entlastungszeuge vor Gericht aussagen. Ein offizieller Beweisantrag dazu steht aber noch aus.
Laut Anklage soll knapp die Hälfte der für die Verteilung an Kliniken und Katastrophenschutzeinrichtungen zum medizinischen Gebrauch bestimmten Masken chinesischer Herstellung nicht der vereinbarten Qualität entsprochen haben. Die Angeklagten hätten dies zumindest billigend in Kauf genommen. Zusätzlich sollen die beiden Männer noch rund 12.000 Masken an Apotheken und andere Abnehmer verkauft haben, als sie bereits vom chinesischen Hersteller aufgefordert worden waren, die Ware wegen nicht gesicherter Qualität zu vernichten.
Der Prozess wird am 20. September mit der Vernehmung eines Zeugen fortgesetzt. Ein Urteil könnte erst im Dezember fallen.
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