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NS-Raubkunst in Bayern: Museumsethik oder Recht?

Die Staatsgemäldesammlungen mit ihren berühmten Pinakotheken stehen im Zentrum der jüngsten Kritik. (Archivfoto) / Foto: Peter Kneffel/dpa
Die Staatsgemäldesammlungen mit ihren berühmten Pinakotheken stehen im Zentrum der jüngsten Kritik. (Archivfoto) / Foto: Peter Kneffel/dpa

Die bayerische Praxis zur Rückgabe von Nazi-Raubkunst an die rechtmäßigen Besitzer machte zuletzt wieder Negativ-Schlagzeilen. Nun nennt das Kunstministerium Zahlen.

Was soll bei der Bewertung von Werken als NS-Raubkunst gelten - ethische oder rein juristische Kriterien? Eine schwierige Frage, wie anhand der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen deutlich wird. Generaldirektor Bernhard Maaz hatte 2023 dem Kunstministerium empfohlen, Erben des jüdischen Kunsthändlers Alfred Flechtheim (1878-1937) drei Objekte zurückzugeben - was bislang nicht geschah. Maaz habe sich an «museumsethischen Grundsätzen» orientiert, dies decke sich aber nicht mit der abschließenden juristischen Bewertung in den Staatsgemäldesammlungen, antwortete das Ministerium auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion im bayerischen Landtag.

Konkret geht es um eine Bronzebüste von Pablo Picasso sowie zwei Gemälde von Paul Klee. Hier sei man der abschließenden Empfehlung der Staatsgemäldesammlungen gegen eine Restitution gefolgt, konkretisierte Blume. In der schriftlichen Antwort auf die Anfrage führte das Ministerium aus, die Rechtsposition der Sammlung wie auch die des Freistaats gründe auf Erkenntnissen, die einen NS-verfolgungsbedingten Entzug nicht eindeutig belegten. 

Solange das aber nicht eindeutig geklärt sei, stehe eine unmittelbare Restitution im Widerspruch zu den Vorgaben des bayerischen Haushaltsrechts, da alle Objekte im Bestand der staatlichen Museen und Sammlungen zum Grundstockvermögen des Freistaats gehörten. Ihre Restitution erfolge daher auf Grundlage des Haushaltsgesetzes.

Minister setzt auf Schiedsgericht 

Kunstminister Markus Blume (CSU) will in diesem Fall das Schiedsgericht anrufen, das es allerdings noch gar nicht gibt. Er hofft auf einen objektiven Bewertungsrahmen, wie er unlängst im Landtag erklärte. Nach einem Bundeskabinettsbeschluss von Anfang Januar soll diese Schiedsgerichtsbarkeit die Beratende Kommission ersetzen und künftig abschließend entscheiden, wenn um die Rückgabe von Kunstwerken aus ehemals jüdischem Eigentum gestritten wird. 

Kritiker befürchten, dass Dokumente aus der Zeit des Nationalsozialismus nach mehr als 80 Jahren gar nicht mehr oder nur noch lückenlos vorhanden sein könnten, was juristische Nachweise des früheren Eigentums erschwert oder gar unmöglich macht. 

Markus Stötzel, Anwalt der Flechtheim-Erben, fordert ein Einschreiten von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und dem Landtag. «Die Blamage für Bayern wird jeden Tag größer», sagte er auf Anfrage. «Der Minister setzt sich nun bewusst über die fachliche Forschung hinweg und erfindet juristische Hindernisse.» Seit 2008 führe man einen endlosen Schriftverkehr. Dabei sei die Picasso-Büste «Fernande» ein eindeutiger Fall für Restitution. 

Juristischem Rat gefolgt

Kritik kam auch von Sanne Kurz, kulturpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Die Antworten zeigten, dass Blume die klare Einschätzung seiner eigenen Fachleute in den Staatsgemäldesammlungen missachtet habe. Er sei lieber dem juristischen Rat gefolgt und habe gegen Restitutionen entschieden, in etlichen Fällen sogar gegen die Anrufung der Beratenden Kommission NS-Raubgut, insbesondere aus jüdischem Besitz.» Dabei gebe es diese Kommission seit Jahrzehnten für genau solche Fälle.

Doch wie viele Kunstwerke in staatlichen Museen und Sammlungen in Bayern könnten Raubkunst sein oder wurden als solche identifiziert? Um diese Fragen war vor knapp einem Monat eine Debatte entbrannt. Nachfahren jüdischer Kunstbesitzer und deren Rechtsanwälte fühlten sich wie Bittsteller behandelt. Der Freistaat müsse bei der Forschung zur Provenienz, also zur Herkunft von Werken, transparenter und schneller arbeiten und auch aktiv auf mögliche Betroffene zugehen, so ihre Forderungen. 

Ministerium nennt Zahlen

Nun hat das Kunstministerium in der Antwort auf die Grünen-Anfrage Zahlen genannt. Staatliche Museen sind demnach mit neun offenen Forderungen zur Rückgabe mutmaßlicher NS-Raubkunst beschäftigt, dazu kommen weitere Fälle, in denen eine Restitution beschlossen, aber bisher nicht vollzogen wurde. Drei der offenen Forderungen betreffen die Staatsgemäldesammlungen, zu denen auch die berühmten Pinakotheken zählen. Vier betreffen das Bayerische Nationalmuseum und zwei die Staatliche Graphische Sammlung. Die jeweiligen Forderungen umfassen zum Teil mehrere Objekte. 

In acht weiteren Fällen bei den Staatsgemäldesammlungen und einem bei der Graphischen Sammlung wurde die Rückgabe an die rechtmäßigen Eigentümer bereits entschieden. Hier sei man «in Vorbereitung», so das Ministerium. Im Nationalmuseum laufen aktuell siebzehn Restitutionsverfahren.

Laut Ministerium wurde zudem in den vergangenen zehn Jahren die Restitution aus staatlichen Museen und Sammlungen in zehn Fällen abgelehnt, weil die Voraussetzungen dafür nicht gegeben gewesen seien. 

Strittige prominente Kunstwerke

Zu den prominenten Kunstwerken, um die seit Jahren gestritten wird, zählen unter anderem das Gemälde «Madame Soler» von Pablo Picasso, aber auch Werke von Max Beckmann und Paul Klee.

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