Nach der Genehmigung eines Pro-Palästina-Protestcamps vor der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München durch einen Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts geht die juristische Auseinandersetzung weiter. Das Kreisverwaltungsreferat (KVR) teilte am Dienstag auf Anfrage mit, es habe noch am Montagabend Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) eingelegt und rechne noch im Laufe des Tages mit einer Entscheidung. Am Montagabend hatte der Protest begonnen. Auch eine Pro-Israel-Mahnwache hatte sich postiert. Am Dienstag war die Stimmung ruhig.
«Wir bedauern die Entscheidung des Verwaltungsgerichts München in erster Instanz, mit dem Bescheid sollten die Studierenden vor mehrtägigen Lärmbeeinträchtigungen geschützt werden», hieß es vom KVR. Das Camp soll nach Angaben der Behörde drei Tage dauern und wurde mit rund 100 Teilnehmern beantragt. Der Protest sollte sich demnach unter anderem gegen das Vorgehen der israelischen Armee in Rafah im Gaza-Streifen richten. Aus Angst vor massiven Störungen des wissenschaftlichen Betriebs ordnete das KVR eine Verlegung an, begrenzte die Zahl der Zelte auf fünf und verbot Übernachtungen.
Dem schob das Verwaltungsgericht am Montag einen Riegel vor. Man sei im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu dem Ergebnis bekommen, dass eine Klage gegen diese Bestimmungen voraussichtlich Erfolg haben werde, begründete das Gericht. Nach vorläufiger Bewertung im Eilverfahren habe die Stadt ihre Gefahrenprognose nicht auf hinreichend konkrete und nachvollziehbare Umstände gestützt. Der Charakter als Dauerversammlung schließe das Nächtigen mit ein und habe einen ausreichenden Bezug zum Thema der Versammlung, das auf das Leben der Menschen in Gaza in Zelten aufmerksam machen wolle.
Am Dienstagmittag wirkte die Stimmung vor der juristischen Fakultät ruhig. Rund 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Protests saßen in Zelten und auf Picknickdecken. Stoffbanner mit Aufschriften wie «Freiheit für alle unterdrückten Völker» oder «Ceasefire now» (übersetzt: «Waffenstillstand jetzt») machten die Anliegen deutlich. Man sehe sich als Teil der internationalen Protestbewegung an den Universitäten, sagte Kilian Gremminger von der Fachschaft Soziologie. Mit dem Camp wolle man auf die Situation der 1,5 Millionen Geflüchteten im Süden des Gaza-Streifens aufmerksam machen, die ebenfalls in Zelten leben müssten. Gremminger wandte sich gegen den Vorwurf, antisemitisch zu sein. Das sei eine falsche Definition von Antisemitismus, sagte er. «Wir sind gegen jegliche Form der Diskriminierung.»
Kritik an der Aktion übte Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle (CSU). Hier werde einseitig Israel Schuld zugewiesen, das sich nach dem Terroranschlag der Hamas verteidige, zudem werde das Existenzrecht des Staats Israel infrage gestellt, sagte er laut einer Mitteilung. Angesichts des Terrorakts vom 7. Oktober 2023 gegen Jüdinnen und Juden sei die Solidarität mit ihnen von großer Bedeutung. Die Zivilgesellschaft müsse sich deutlich sichtbar zum jüdischen Teil der Bevölkerung bekennen. Spaenle erneuerte seine Forderung nach einer öffentlichen Stellungnahme bayerischer Universitäten und Hochschulen gegen Antisemitismus und Antizionismus.
Der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, Karl Freller, hatte bereits am Vortag von einem fatalen Zeichen für die Stadt München gesprochen. Vor 81 Jahren habe die «Weiße Rose» mit den Geschwistern Hans und Sophie Scholl an der Universität ihren mutigen Kampf gegen den Nationalsozialismus geführt. Ausgerechnet hier werde nun drei Tage lang Antisemitismus praktiziert, hieß es in einer Mitteilung. Das Camp ist auf dem Professor-Huber-Platz errichtet. Er ist benannt nach dem Musikwissenschaftler Kurt Huber, der zur Weißen Rose gehörte und wegen seines Widerstandes gegen die Nazis am 13. Juli 1943 hingerichtet worden war. Gegenüber, auf der anderen Straßenseite, liegt der Geschwister-Scholl-Platz.
Copyright 2024, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten