Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am zweiten Tag seines dreitägigen Besuchs in Weiden den Bogen von lokalen zu weltpolitischen Themen geschlagen. Zunächst tauschte er sich in einem Kindergarten mit Fachleuten zum Thema frühkindliche Bildung aus. Am Nachmittag kam er mit Bürgern zusammen, um mit ihnen über Themen wie die Waffenlieferungen in die Ukraine zu beraten.
Eine Stunde lang nahm sich Steinmeier Zeit für die Anliegen der Erzieher - und zwar getreu dem Motto seines Aufenthaltes: mehr zuhören als reden. Unverkrampft und ohne Scheu berichteten die Fachleute aus ihrem Alltag und beantworteten Fragen des Bundespräsidenten.
Die Erzieherausbildung dauere mit vier Jahren vergleichsweise lang, sagte Barbara Neuber, Leiterin der Caritas Fachakademie für Sozialpädagogik. Bis vor wenigen Jahren seien es gar noch fünf Jahre gewesen. Allerdings herrsche in der Bevölkerung der Eindruck, im Kindergarten gehe es nur um ein bisschen Betreuung. Es werde aber Bildungsarbeit geleistet, auch im Elementarbereich, es gehe um Integration und Inklusion.
Viele Kinder und Eltern sprächen kein Deutsch, so Inga Hinz, Geschäftsführerin der evangelischen Kindertagesstätten. Die Folgen seien auch in der Grundschule zu spüren, ergänzte Schulleiterin Alexandra Wildenauer. Aufgrund der Sprachprobleme bräuchten viele Kinder einige Monate, bis sie «ankommen». Viele müssten schon das erste Schuljahr wiederholen und entwickelten eine Abneigung gegen Bildung und Schule.
Projekt «Ortszeit Deutschland»
Drei Tage lang führt Steinmeier seine Amtsgeschäfte aus Weiden in der Oberpfalz. Bereits am ersten Tag hatte er sich mit Kommunalpolitikern sowie jungen Leuten in einem Jugendtreff und einem Fußballverein getroffen. Der Aufenthalt findet im Rahmen des Projektes «Ortszeit Deutschland» statt, Weiden ist nach sechs Stationen in Ostdeutschland und vieren im Westen die erste Station in Bayern. Steinmeier will den Angaben nach erfahren, wie sich nationale Themen konkret in Städten und Regionen auswirken.
Steinmeier sagte, gerade im Zuge der Corona-Pandemie seien teilweise Gesprächsfäden abgerissen und der Ton etwa in den sozialen Medien bisweilen «unerträglich geworden». Es baue sich Unversöhnlichkeit auf, so seine Einschätzung. Die Diskussionsrunde unter dem Motto «Kaffeetafel kontrovers» solle ein Beispiel dafür sein, Meinungsunterschiede in respektvoller Art auszutragen.
Zu jedem der Gesprächsthemen waren vier Bürger eingeladen worden, die, so erläuterte es Oberbürgermeister Jens Meyer (SPD) im Vorfeld, klare Positionen vertreten, ohne auf Krawall gebürstet zu sein. Über Waffenlieferungen diskutierten ein Bundeswehrangehöriger, eine ukrainische Lehrerin und zugleich gebürtige Russin, der örtliche Sprecher von Amnesty International und eine Vertreterin der Organisation Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges.
Eine muntere Debatte entwickelte sich zur Monoedukation, zu der der Bundespräsident sagte: «Das ist ein Thema, von dem ich gar nicht gewusst habe, dass es noch ein Thema ist.» Eine Schülerin eines Mädchengymnasiums sagte, sie sei dadurch selbstbewusster geworden und sie habe in ihrer Freizeit durchaus Kontakt zum anderen Geschlecht. Eine Schülerin eines gemischten Gymnasiums meinte, Mädchen würden davon profitieren, wenn sie sich schon in jungen Jahren mit Jungs auseinandersetzen müssen und nicht erst im Berufsleben.
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