Frauen in Bayern müssen einer Expertin zufolge zum Teil weite Wege in Kauf nehmen, wenn sie eine Schwangerschaft abbrechen wollen. «Bayern ist nach wie vor eins der schlechtesten versorgten Länder», sagte die Professorin für Gesundheitswissenschaften, Daphne Hahn, von der Hochschule Fulda.
Fast 20 Prozent der Menschen im Freistaat leben nach der ELSA-Studie in einer Region, in der sie mehr als 40 Auto-Minuten zur nächsten Abtreibungsstelle fahren müssen. Demnach belegt Bayern bundesweit den letzten Platz bei der Erreichbarkeit dieser Einrichtungen. Im Freistaat kommen bundesweit außerdem die meisten Frauen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren auf eine Einrichtung.
«Schwangerschaftsabbruch wird stigmatisiert»
Der Abschlussbericht zu der Studie mehrerer Hochschulen im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums könnte nach Angaben von Hahn im Laufe des zweiten Quartals erscheinen. Zwischenergebnisse hatten die Forschenden bereits vor einem Jahr präsentiert. Die Studie basiere auf Daten, die von 2021 bis 2023 erhoben wurden, sagte Hahn.
Seitdem habe sich die Situation aber vermutlich nicht verbessert, betonte sie. Viele ältere Ärztinnen und Ärzte, die Abtreibungen vornehmen, gingen in den Ruhestand. Es fänden sich aber wenige Nachfolgerinnen und Nachfolger, weil es unter anderem an Fort- und Weiterbildungen fehle.
In Oberfranken nur eine Abtreibungseinrichtung
Rund 12.000 Schwangerschaftsabbrüche gab es laut dem Bundesamt für Statistik im vergangenen Jahr in Bayern. 87 ambulante und stationäre Einrichtungen nehmen nach Angaben des Staatsministeriums für Gesundheit im Freistaat Abtreibungen vor. Die meisten gibt es demnach in Oberbayern (46), gefolgt von Schwaben (13), Mittelfranken (12) und Unterfranken (8). In Oberfranken gibt es dagegen nur eine Einrichtung, in der Oberpfalz drei und in Niederbayern vier.
Das Ministerium hält diese Versorgung für ausreichend: «Entscheidend für die Frage, ob ein Angebot ausreichend ist, ist nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18.05.1993, wenn ärztliche Hilfe zum Abbruch der Schwangerschaft in einer Entfernung bereitsteht, die von der Frau nicht die Abwesenheit über einen Tag hinaus verlangt», teilte ein Sprecher mit. «Dies ist in Bayern der Fall.»
Die Ergebnisse der ELSA-Studie sieht das Ministerium kritisch. «Dass grundsätzlich in einem großen Flächenland wie Bayern insbesondere im ländlichen Raum gegebenenfalls längere Wege zurückgelegt werden müssen, um einen Arzt aufzusuchen als beispielsweise in einem Stadtstaat, liegt in der Natur der Sache», begründete der Sprecher.
Pläne für Legalisierung scheiterten
Eine Abtreibung ist in Deutschland nach Paragraf 218 des Strafgesetzbuches rechtswidrig - sie wird aber nicht bestraft, wenn sie innerhalb der ersten zwölf Wochen stattfindet und die Frau sich zuvor hat beraten lassen. Nicht strafbar ist ein Abbruch außerdem aus medizinischen Gründen und nach einer Vergewaltigung. Ein Gesetzentwurf zur Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in den ersten zwölf Wochen scheiterte im Februar vorerst am Widerstand von Union und FDP.
Aus Sicht von Hahn ist neben der Größe auch der fehlende politische Wille in Bayern für die vergleichsweise geringe Versorgung mit Abtreibungsstellen verantwortlich. Andere Flächenländer hätten dieses Problem nicht, sagte sie. Oder diese bemühten sich, die Versorgung in betroffenen Regionen zu verbessern.
Dem Gesundheitsministerium in München zufolge sind die staatlichen Möglichkeiten allerdings begrenzt: Ärztinnen und Ärzte könnten nicht zu Schwangerschaftsabbrüchen verpflichtet werden, betonte der Sprecher.
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