Die Menschen in Bayern stehen mit überwältigender Mehrheit hinter der Demokratie - sie sehen sie aber gleichzeitig von vielen Seiten gefährdet. Und: Nicht alle sind mit dem Funktionieren der Demokratie vor allem im Bund zufrieden. Das sind die zentralen Ergebnisse einer großen Umfrage zur politischen Kultur in Bayern und der Akzeptanz der Demokratie, die Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) in München vorgestellt hat.
Für 83 Prozent der Wahlberechtigten in Bayern ist es demnach sehr wichtig, in einem demokratisch regierten Land zu leben, für weitere 13 Prozent wichtig. 93 Prozent halten die Demokratie allgemein für eine gute Regierungsform - im Bundesschnitt sind es 87 Prozent.
Diskrepanz zwischen Land und Bund
Hinter der grundsätzlichen Unterstützung für die Demokratie verbirgt sich aber auch eine merkliche Unzufriedenheit mit der Demokratiepraxis, also dem Funktionieren der Demokratie. Und dabei unterscheiden die Wahlberechtigten durchaus zwischen Bund und Freistaat: Mit dem Funktionieren der Demokratie in Bayern sind 76 Prozent zufrieden oder sehr zufrieden. Mit Blick auf den Bund sind es allerdings in Summe lediglich noch 57 Prozent. 31 Prozent gaben dagegen an, mit der Art und Weise, wie die Demokratie in Deutschland alles in allem funktioniert, seien sie weniger zufrieden, 10 Prozent der Bayern sind gar nicht zufrieden.
Größte Gefahren: AfD, Extremismus, Migration
Auffällig auch: 28 Prozent sehen die Demokratie in Bayern als stark bedroht an, weitere 6 Prozent sogar als sehr stark. Auf die offene Frage nach den größten Gefahren, also ohne irgendwelche Antwortvorgaben, antworteten die Befragten unterschiedlich: 24 Prozent nannten die Positionen der AfD, das war damit die häufigste Antwort. Weitere 14 Prozent sehen politischen Extremismus von Rechts als größte Gefahr, 6 Prozent politischen Extremismus von Rechts und Links und 4 Prozent religiösen Extremismus beziehungsweise Islamismus. 16 Prozent gaben in der Umfrage aber auch an, dass sie in der Migration die größte Gefahr für die Demokratie sehen. Die Regierung im Bund nannten nur 4 Prozent, und Defizite von Parteien und Politik im Allgemeinen nannten ebenfalls lediglich 4 Prozent.
Aigner: Politik muss Probleme der Menschen lösen
«Trotz aller Krisen: Die Menschen in Bayern sind überzeugte Demokratinnen und Demokraten», sagte Aigner. Das stimme sie sehr optimistisch. Bei der Bewertung der gelebten Demokratiepraxis falle die Zustimmung allerdings weit weniger hoch aus. «Ich sehe darin den klaren Auftrag, dass Politik die Probleme der Menschen lösen muss, damit sich ihr Alltag spürbar verbessert», betonte sie. Daran werde die Demokratie am Ende gemessen.
Zudem verwies Aigner darauf, dass Jüngere häufig kritischer oder skeptischer gegenüber der Demokratiepraxis in Bund und Land seien. «Diesen Befund sollten wir sehr ernst nehmen», mahnte sie. Erst Corona, dann Kriege und nun große wirtschaftliche Sorgen - in diesen Zeiten vielfältiger Umbrüche mache die Jugend ein Perspektivproblem für sich fest. Die Politik müsse deshalb die Sorgen und Nöte der Jugend ernst nehmen, den jungen Menschen zuhören und sie ganz konkret mit politischen Lösungen adressieren, sagte Aigner.
Vertrauen? In die Polizei ja, in die Parteien nein
Das Vertrauen in Institutionen fällt der Umfrage zufolge unterschiedlich aus - Tendenz: je politischer, desto kritischer: So haben 87 Prozent großes oder sehr großes Vertrauen in die Polizei, 72 Prozent in die Stadt- und Gemeindeverwaltungen, 69 Prozent in die Justiz. In den Landtag haben dagegen lediglich 60 Prozent großes oder sehr großes Vertrauen, in die Staatsregierung nur noch 50 Prozent. Und bei politischen Parteien sind es nur 34 Prozent.
Welcher Protest ist gerechtfertigt?
Gefragt wurde auch danach, ob und gegebenenfalls welche Protestformen von den Bayern für in Ordnung befunden werden. Das Ergebnis ist relativ überschaubar: 27 Prozent der Wahlberechtigten halten demnach die Teilnahme an nicht genehmigten Demonstrationen für gerechtfertigt, 16 Prozent die vorübergehende Besetzung von Fabriken, Industrieanlagen oder Ämtern, 13 Prozent sehen zeitweise Straßenblockaden als gerechtfertigt an. Gewalt gegen Menschen oder Sachen halten nur, aber immer noch 3 Prozent für gerechtfertigt.
Subjektive Meinungsfreiheit?
Interessant sind auch die Antworten auf die Frage, ob man in Deutschland seine Meinung frei äußern dürfe, auch wenn diese nicht mit der Meinung der Mehrheit übereinstimme. Auf jeden Fall sagten 34 Prozent der Befragten, eher ja meinten weitere 35 Prozent. 23 Prozent sagten auf die entsprechende Frage allerdings eher nein, 7 Prozent antworteten mit: auf keinen Fall.
Für den «Demokratiereport Bayern 2024» hatte das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap vom 9. September bis 1. Oktober insgesamt 1.012 Wahlberechtigte in Bayern befragt.
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