Sabrina Wittmann ist die Erste. Darüber kann sich die 32-Jährige derzeit aber nicht viele Gedanken machen, ihr Start als Cheftrainerin eines Männer-Profivereins ist hektisch genug.
Von der Aufregung und dem «Wechselbad der Gefühle» an ihrem ersten Arbeitstag spricht sie bei ihrer offiziellen Vorstellung als Interimslösung des Drittligisten FC Ingolstadt am Freitag. Aber dass sie nun auf ewig ein Stück deutsche Fußball-Geschichte sein wird, dafür hat Wittmann aktuell nicht den Kopf.
Wittmann geht es um die besondere Aufgabe
«Ich habe einen Artikel selbst gelesen, sonst wurden mir unzählige Screenshots geschickt», erzählte die bisherige U19-Trainerin, die nach der Trennung von Michael Köllner am Donnerstag vorerst bis zum Saisonende die neue Chefin an der Seitenlinie ist. «Es ist ein unfassbar schöner Moment für alle, aber in erster Linie geht es für mich um die Aufgabe, die für mich viel besonderer ist, als die erste Frau im Profifußball zu sein.»
Wittmann kann sich in drei Ligaspielen, dem ersten am Sonntag (19.30 Uhr) zuhause gegen Waldhof Mannheim, und einem Landespokalspiel beweisen. «Für sie ist es eine große Chance, mal reinzuschnuppern», sagte Sportdirektor Ivica Grlic. Ob aus dem Schnupperkurs auch mehr werden kann? «Wir wollen beim FCI nicht nur Spieler fördern, die talentiert sind, sondern auch Trainer, die das Potenzial mitbringen und sehr talentiert sind», erklärte er und betonte: «Wir sind von ihr zu 100 Prozent überzeugt.»
Wittmann vielleicht sogar als Dauerlösung?
Das beinhaltet auch die Möglichkeit, dass Wittmann über den Sommer hinaus Chefin der Männer bleibt. «Man sollte niemals nie sagen im Fußball», erklärte Grlic, der im selben Atemzug aber anmerkte, weiter den Trainermarkt zu sondieren.
Wittmann besitzt jedenfalls noch nicht die vom DFB vorgeschriebene UEFA Pro-Lizenz. Die Bewerbungsphase für den nächsten Kurs startet im August, wie sie erklärte. Sollte sie im Assessment-Center überzeugen, könnte sie dann Anfang kommenden Jahres ihre neue Lizenz in Angriff nehmen. Ihre Zukunft sieht sie auf jeden Fall im Männer-Bereich. «Ich habe in der Vergangenheit noch nie große Zukunftspläne gehabt, es ist alles immer super gelaufen», meinte Wittmann. Sie fühle sich im Männer-Fußball aber «total wohl».
Nicht «die erholsamste Nacht» vor der Beförderung
Von ihren Jungs aus der U19, mit der sie erst am vergangenen Wochenende die Vize-Meisterschaft in der A-Junioren-Bundesliga Süd/Südwest gefeiert hatte, gab es Applaus, als sie ihre Beförderung verriet. «Ich hatte nie den Gedanken, es nicht zu machen», erzählte sie. «Ich bin sehr überzeugt, dass die Mannschaft mir zur Seite stehen wird.»
Spät am Mittwoch, so berichtete Wittmann, wurde sie von der Führungsetage informiert, dass sie die Interimslösung werden könnte. «Etliche Gedanken gehen einem durch den Kopf über die Nacht hinweg», verriet sie. «Es war nicht die erholsamste Nacht.» Am Donnerstagmorgen bekam sie schließlich die Verantwortung übertragen. «Ich habe nicht darüber nachgedacht, ob es die einzige oder letzte Chance in meinem Leben ist oder sich noch 40 andere ergeben», erzählte sie.
Abtasten, angucken, ansprechen
Wittmann ist dem Verein schon lange verbunden, erst selbst als Spielerin, dann als Nachwuchstrainerin. Und obwohl sie so viele Angestellte der Ingolstädter kennt, waren die ersten Ansprachen besonders.
«Da saßen ein paar Leute mehr im Raum, das war so ein kleines Abtasten», berichtete sie vom ersten Treffen als Chefin mit ihren Mitarbeitern. Ähnlich war es auch mit den Spielern, die sie mit ihrer Ansprache gleich packen wollte. «Da guckt man in die Augen und versucht den einen oder anderen direkt anzusprechen, denn da könnte der Moment kommen, dass sich der Kopf zum Fenster dreht», erzählte sie. Aber so laufe das auch in allen anderen Mannschaften.
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