Thomas Tuchel lächelte, verabschiedete sich von Wolfsburgs Trainer Ralph Hasenhüttl und verschwand dann mit einem Winken Richtung Katakomben. Bei seinem letzten Arbeitstag als Bayern-Coach in der Allianz Arena durfte sich der 50-Jährige über den erhofften Sieg freuen. Allerdings taugte das leicht und locker herausgespielte 2:0 (2:0) in der Fußball-Bundesliga gegen einen harmlosen VfL Wolfsburg am Sonntag nur bedingt dazu, bei Tuchel und den Münchner Stars den Champions-League-Frust von Madrid zu vertreiben.
«Wir waren insgesamt 15, 20, 25 Minuten sehr stark. Danach war es gegessen», sagte Tuchel bei DAZN und zog ein Fazit seiner Bayern-Zeit: «Wir haben alles gegeben. Wir sind angetreten, um so viele Titel wie möglich einzusammeln, das ist uns diese Saison nicht geglückt.» Nach der Partie schrieb er an der Seitenlinie noch Autogramme für die wartenden Fans.
Der 19 Jahre alte Startelf-Debütant Lovro Zvonarek (4. Minute) und Nationalspieler Leon Goretzka (13.) erzielten die Tore für das personell arg dezimierte Bayern-Team um Kapitän Manuel Neuer. «Die ersten 20, 30 Minuten kann es auch 4:0 stehen. Wir waren überhaupt nicht in der Lage, die Bayern zu stoppen», sagte Wolfsburgs Trainer Hasenhüttl ernüchtert. «Wir waren mit dem Holzschwert unterwegs, das reicht nicht gegen die Bayern.»
Mit dem Erfolg verdrängte der Rekordmeister in der Tabelle den VfB Stuttgart wieder von Platz zwei. Auf einer Stadionrunde verabschiedete sich das Team für diese Saison von den Heim-Fans, auch der verletzt fehlende Harry Kane ging mit seinen Kindern über den Rasen.
«Wir freuen uns, dass wir nochmal ein schönes Spiel zeigen konnten», sagte Thomas Müller. Das Aus in der Königsklasse tue weh, «aber das ist Schnee von gestern.» Es werde noch dauern, den verpassten Endspieleinzug zu verarbeiten, betonte Neuer und blickte schon auf das Champions-League-Finale 2025: «Aber im nächsten Jahr haben wir ein Endspiel hier zu Hause. Da arbeiten wir dran, da wieder hinzukommen.»
Neuer, der große Unglücksrabe beim verpassten, neuen Wembley-Finale gegen Borussia Dortmund, verlebte vier Tage nach seinem folgenschweren Patzer beim 1:2 gegen Real Madrid ein weitgehend beschäftigungsloses 500. Bundesligaspiel. Nach 73 Minuten war für Neuer Feierabend - ihn löste Bundesliga-Debütant Daniel Peretz im Tor ab. «Das war vorher abgesprochen», erläuterte Neuer. «Daniel hat der Mannschaft über die Saison so viel gegeben, da hat er verdient, die Minuten zu bekommen.»
Eine offizielle Verabschiedung von Tuchel vor dem Anpfiff gab es in der ausverkauften Arena überraschend nicht. Begründung: Es geht immerhin noch um die Vizemeisterschaft. Das Tuchel-Servus soll aber nach dem letzten Saisonspiel bei der TSG Hoffenheim «gebührend» nachgeholt werden, wie der Stadionsprecher extra durchsagte. Tuchel wird es recht sein. Schon tags zuvor hatte er zu einer Abschiedszeremonie gesagt: «Für eine vorzeitige Vertragsauflösung ohne Titel braucht man keine Blumen zu übergeben.»
Tuchel erledigte lieber im Trainingsanzug seriös seinen Job am Spielfeldrand - und seine Spieler auf dem Rasen. Aber wer kickte da? Kein Kane, kein Musiala, kein Sané und auch kein Gnabry, die alle angeschlagen oder verletzt fehlten. Dier, de Ligt und Laimer saßen zudem ganz oder teilweise auf der Ersatzbank. Achtmal wechselte Tuchel nach Madrid.
Der ewige Thomas Müller führte eine blutjunge Offensive mit Mathys Tel, Winterzugang Bryan Zaragoza und Talent Zvonarek aus Bayerns Regionalliga-Mannschaft an. Und der junge Kroate wurde gleich mal bejubelt von den 75 000 Zuschauern. Einen Pass von Alphonso Davies ließ Müller geschickt passieren auf Zvonarek. Der 19-Jährige traf überlegt und platziert aus 15 Metern, der Ball prallte vom Innenpfosten ins Netz.
Gegen eine lasche Wolfsburger Mannschaft, die auch nach dem 27. Gastspiel weiter auf einen Sieg in München wartet, hatten die Bayern weiter leichtes Spiel: Flanke Zaragoza, Kopfball Zvonarek zu Müller, Ablage auf Goretzka - Tor. Alles wie im Training. Tor Nummer drei durch Zaragoza kassierte dann der Video-Assistent (18.). Danach plätscherte die einseitige Partie so dahin.
Und das auch nach dem Seitenwechsel. Bayern musste nicht mehr, Wolfsburg konnte und wollte nicht. Die Niedersachsen traten auf, als wären sie schon in der Sommerpause. Und Tuchel? Auf ihn warten noch ein paar Trainingstage und ein letztes Spiel als Trainer des FC Bayern. Aber dieses hätte er sich in London gewünscht - und nicht in Sinsheim.
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