Mit einem Donner betrat Sabrina Wittmann den Rasen. Das Wetter in Oberbayern sorgte am Donnerstag für die lautstarke Untermalung eines Novums im deutschen Fußball. Denn im Endspurt der Saison hat der FC Ingolstadt in der 3. Liga die bisherige U19-Trainerin Wittmann interimsweise zur neuen Chefin an der Seitenlinie befördert. Die Schanzer trennten sich von Trainer Michael Köllner (54) und werden bis zum Saisonende von der 32-Jährigen betreut. Eine Chefrolle so hoch in einem deutschen Männerteam wurde noch nie von einer Frau bekleidet.
Inka Grings (SV Straelen) und Imke Wübbenhorst (Sportfreunde Lotte) hatten zuvor schon einmal Männer-Viertligisten trainiert. Ende Januar hatte Marie-Louise Eta beim 1. FC Union Berlin in der Bundesliga viel Aufmerksamkeit erhalten, weil die Co-Trainerin nach einer Sperre ihres damaligen Chefs Nenad Bjelica wegen unsportlichen Verhaltens immerhin die kommunikativen Aufgaben rund um das 1:0 gegen den SV Darmstadt 98 übernommen hatte. Hauptverantwortlicher Trainer auf der Bank war aber Bjelicas Assistent Danijel Jumic.
Wittmann gibt ihr Debüt am Sonntag
Wittmann wird beim FC Ingolstadt, der nach 35 Spieltagen nur Tabellenelfter ist, von ihrem langjährigen Co-Trainer Fabian Reichler sowie dem bisherigen Trainerteam um Maniyel Nergiz und Julian Kolbeck unterstützt.
«Es gibt keinen Ort, an dem ich lieber hätte debütieren wollen. Ingolstadt ist für mich etwas ganz Besonderes, mein Heimatverein. Hier habe ich vor 19 Jahren angefangen, selbst gespielt und erste Schritte als Trainerin machen dürfen», erklärte Wittmann, die ihr Debüt in der 3. Liga am Sonntag (19.30 Uhr) gegen Waldhof Mannheim geben wird.
Die Entwicklung unter Köllner war enttäuschend
«Von Beginn an haben mir die Verantwortlichen Vertrauen geschenkt und mich stets gefördert. Durch all die Jahre an der Seitenlinie vieler Nachwuchsmannschaften bin ich zu der Trainerin gereift, die ich heute bin. Es ist eine große Chance für mich, ein Vertrauensbeweis von Dietmar Beiersdorfer und Ivo Grlic, im Profigeschäft erste Schritte machen zu dürfen», äußerte Wittmann weiter, die erst am vergangenen Wochenende die Vize-Meisterschaft in der A-Junioren-Bundesliga Süd/Südwest feierte.
Köllner hatte die Ingolstädter im April 2023 übernommen. In dieser Saison liegt die Mannschaft, die eigentlich aufsteigen wollte, aber im Niemandsland der Tabelle. Wer den FC Ingolstadt für die nächste Saison übernimmt, ist noch unklar. Ob Wittmann auch eine realistische Chance hat? «Es wäre ein Fehler, wenn man alles ausschließt. Wir sind für alles offen», sagte Sportdirektor Ivo Grlic am Rande der ersten Einheit unter der neuen Trainerin, die auf dem Rasen auch energisch und lautstark auftrat.
Wittmann fehlt für ein längeres Engagement noch die Lizenz
Wittmann habe die Möglichkeit, «die dreieinhalb Wochen reinzuschnuppern, wie der Profifußball ist, damit sie sich weiter entwickelt. Wir haben keine Angst, die Mannschaft geht den Weg mit, und wir sind absolut überzeugt davon», sagte Grlic weiter.
Wittmann besitzt aber noch nicht die vom DFB vorgeschriebene UEFA Pro-Lizenz. Bei der SpVgg Unterhaching musste in einem ähnlichen Fall der Verein für Trainer Marc Unterberger eine Strafe zahlen. Soweit ist man bei Wittmann aber noch nicht.
Wittmann gehört bei den Schanzern zum Inventar
«Nachdem die sportliche Weiterentwicklung unserer Mannschaft, die nötig ist, unsere Ziele zu erreichen, im Jahr 2024 weitestgehend ausgeblieben ist, sind wir nach eingehender sportlich-inhaltlicher Analyse und Gesprächen mit Michael Köllner zu der Entscheidung gelangt, dass wir auf der Position des Cheftrainers für die Saison 2024/25 eine Veränderung vornehmen müssen», erklärte Geschäftsführer Dietmar Beiersdorfer.
Wittmann ist schon seit 2009 mit dem FC Ingolstadt eng verbunden, als sie zunächst Coach bei der Audi Schanzer Fußballschule und drei Jahre später für die U15 der Frauenabteilung verantwortlich war. Seit der Spielzeit 2021/22 ist sie U19-Coach und im Verein auch für die «Entwicklung Fußball» zuständig.
Beiersdorfer: Wittmann genießt «extrem hohen Stellenwert»
«Sabrina Wittmann kennt unseren Klub wohl besser als kaum eine andere, ist Schanzerin durch und durch. Als amtierende Cheftrainerin unserer sehr erfolgreichen U19 hat sie sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich – fachlich wie menschlich – weiterentwickelt und genießt zu Recht bei allen im Verein einen extrem hohen Stellenwert», erklärte Beiersdorfer.
«Wir sind davon überzeugt, dass Sabrina aufgrund ihrer inhaltlichen Kompetenz, Fußball zu vermitteln und auch dank ihrer Emotionalität genau die Richtige ist, um die Saison unserer ersten Mannschaft positiv zu Ende zu bringen.»
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