Heftiger Dauerregen hat am Wochenende in weiten Teilen Bayerns für Überschwemmungen extremen Ausmaßes gesorgt. Zehntausende Einsatzkräfte sind seit Freitagabend im Dauereinsatz vor allem in Oberbayern und Schwaben. Sie errichten Dämme aus Sandsäcken, pumpen ab, sperren Gefahrenzonen ab oder retten Menschen aus ihren überfluteten Häusern. Ein Feuerwehrmann kam ums Leben, ein weiterer wurde am Sonntagabend noch vermisst, ebenso wie eine Frau. An der Donau bereitet man sich indes auf die drohende Hochwasserwelle vor.
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne), Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) waren in besonders betroffene Kommunen gereist, um sich selbst ein Bild von der Lage vor Ort zu machen. Söder zollte den Menschen in den betroffenen Gebieten Anerkennung. Der Zusammenhalt und die gegenseitige Hilfe seien beeindruckend.
Und er sprach ihnen Mut zu: «Gemeinsam kommen wir da durch», schrieb er auf der Plattform X. Er und Habeck zeigten sich erschüttert vom Tod eines Feuerwehrmannes in Pfaffenhofen an der Ilm. Die Einsatzkräfte, ehrenamtliche wie hauptberufliche, riskierten in den Hochwassergebieten ihr Leben, um Menschen zu retten, sagte Habeck. «Es ist furchtbar. Er starb, als er Menschen vor dem Hochwasser retten wollte», sagte der Vizekanzler.
Der Mann war mit anderen Helfern mit einem Schlauchboot unterwegs, als das Boot dem Landratsamt zufolge kenterte. Während sich die anderen retten konnten, blieb der Mann verschwunden und wurde erst am frühen Sonntagmorgen tot geborgen.
Lebensgefährlich verletzt wurde ein Beschäftigter eines Energieunternehmens. Der 27-Jährige erlitt in Allershausen im oberbayerischen Landkreis Freising einen Stromschlag, vermutlich als er Arbeiten im Zusammenhang mit dem Hochwasser ausführte, wie die Polizei mitteilte.
Menschen weiterhin vermisst
Helfer bangen außerdem weiter um einen Feuerwehrmann, der in Offingen in Schwaben vermisst wird. Der 22-Jährige war ebenfalls in der Nacht zu Sonntag bei einem Einsatz in einem Boot unterwegs. In Schrobenhausen wurde in einem überfluteten Keller zudem eine vermisste Frau vermutet. Wegen der gefährlichen Lage konnten Helfer aber bis Sonntagabend nicht in den Keller, um nach ihr zu suchen.
Es sind extreme Regenmengen, die seit Freitagabend vom Himmel fielen und die der Boden schlicht nicht mehr aufnehmen konnte. Zahlreiche Bäche und Flüsse in Bayern traten über die Ufer. So fielen in Bad Wörishofen westlich von München laut Deutschem Wetterdienst (DWD) bei dem Starkregen 129 Liter binnen 24 Stunden. Der Schnitt liege bei 101 Litern im Monat. Feuerwehren und andere Nothelfer sind im Dauereinsatz - um Wasser abzupumpen, Gebiete abzusperren, aber auch um Menschenleben zu retten. Auf den Straßen kam es wegen Aquaplanings zu Unfällen mit Verletzten. Der DWD gab am Sonntagabend noch keine Entwarnung und sagte weitere Niederschläge voraus.
Söder und Habeck besuchen Hochwasser-Gebiet
In mehr als zehn Landkreisen wurde der Katastrophenfall ausgerufen. Das bayerische Innenministerium sprach von mehr als 3000 Menschen, die wegen des Hochwassers ihre Wohnungen verlassen mussten. Im Kreis Pfaffenhofen an der Ilm sowie entlang der Donau spitzte sich die Lage am Sonntag weiter zu. Ein Feuerwehrsprecher sprach von einem unberechenbaren Hochwasser, «das wir so auch noch nie verzeichnen mussten».
«Jetzt werden alle Schäden erfasst, um einen Überblick zu bekommen und schnell helfen zu können», schrieb Söder auf der Plattform X. «Wir hoffen, dass sich auch der Bund finanziell an Hilfen beteiligen wird.» Zudem müsse man eine Pflichtversicherung für Elementarschäden prüfen. «Schwere Klimaereignisse werden leider in Zukunft zunehmen. Deshalb braucht es gute Vorsorge», so Söder. Am Montag wollen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Innenministerin Nancy Faeser die Flutgebiete besuchen und sich im oberbayerischen Reichertshofen mit Einsatzkräften unterhalten. Der Klimawandel macht Extremwettereignisse wahrscheinlicher.
Verschärfung entlang der Donau erwartet
Zu Beginn der neuen Woche erwartet Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber entlang der Donau und im weiteren Donau-Einzugsgebiet eine Verschärfung der Hochwasserlage. «Alle Beteiligten arbeiten mit vollem Einsatz daran, die Regionen bestmöglich auf die drohende Hochwasserwelle vorzubereiten», teilte der Freie-Wähler-Politiker mit.
«Menschen werden in Sicherheit gebracht, Sandsäcke gefüllt und die Anlagen zum Hochwasserschutz verstärkt», sagte Glauber. Die Wasserwirtschaft stelle alle verfügbaren Kräfte bereit. An verschiedenen Stellen entlang der Donau werde zudem ein mobiler Hochwasserschutz aufgebaut. «Um Druck von Hochwasserschutzanlagen an der Donau zu nehmen, werden entlang der Zuläufe durch die Wasserwirtschaftsverwaltung die vorhandenen Speicher und Rückhalteräume aktiviert und gefüllt.»
Luftrettung setzt mehr Hubschrauber ein
Auch die ADAC-Luftrettung stellt sich auf eine Verschärfung entlang der Donau ein. Mittlerweile stünden zehn Rettungshubschrauber im Freistaat zur Verfügung, davon fünf mit Winde, sagte ein Sprecher. Ein erster zusätzlicher Rettungshubschrauber mit Winde flog am Sonntag vom Klinikum Augsburg aus in die Hochwassergebiete und flog gleich in den ersten Stunden ein halbes Dutzend Menschen aus. Der zweite Hubschrauber stand in Ingolstadt bereit und könnte dort sowie in der Region um Straubing zum Einsatz kommen, da in den Regionen eine Verschlechterung der Lage erwartet wird. Der ADAC rechnet damit, bis Mitte der neuen Woche wegen der Hochwasser-Situation in Bayern im Dauereinsatz zu sein.
Stromausfall in mehreren Landkreisen
In mehreren Landkreisen fiel am Wochenende der Strom aus. «Die Stromausfälle konzentrieren sich entlang der Flüsse und sind aus Netzsicht beherrschbar», teilte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) mit. «So weit das möglich ist, versuchen die zuständigen Verteilnetzbetreiber die Stromversorgung durch Umschaltungen auf andere Leitungen zu gewährleisten. Mit flächendeckenden Stromausfällen rechnen wir derzeit nicht.» Vielerorts wurde der Strom auch vorsorglich abgeschaltet. Nicht wenige konnten deshalb nicht mehr kommunizieren, weil der Handy-Akku leer war.
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