Mindestens zwei Menschenleben hat das Hochwasser in Bayern bislang gefordert. Und auch wenn mancherorts schon die Aufräumarbeiten beginnen, kann von einer Entspannung der Situation am Montag noch keine Rede sein. «Die Lage ist und bleibt ernst und kritisch und angespannt», sagt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Montag im oberbayerischen Reichertshofen. Immer noch drohten Dämme zu brechen oder durchzuweichen. Und im Osten stehe das Schlimmste noch bevor. «Wir sehen, dass das Hochwasser jetzt wandert», sagte er - und zwar in Richtung Regensburg. «Die werden steigen, die Pegel.» Die Stadt Regensburg hatte am Morgen bereits den Katastrophenfall ausgelöst.
Zweites Todesopfer gefunden
Die Zahl der bestätigten Todesfälle bei der Flutkatastrophe in Bayern hat sich inzwischen auf zwei erhöht. Rettungskräfte fanden im vom Hochwasser stark betroffenen oberbayerischen Schrobenhausen eine Leiche im Keller eines Hauses. Es handele sich um eine vermisste 43-Jährige, teilte die Polizei mit. Zuvor hatten der «Donaukurier» und «Bild» berichtet.
Die Frau ist das zweite bekannte Todesopfer des Hochwassers in Bayern und Baden-Württemberg. Am Sonntagmorgen war in Pfaffenhofen an der Ilm in Oberbayern ein Feuerwehrmann tot geborgen worden, der bei einer Rettungsaktion ums Leben kam. Der Mann war bei einem Einsatz mit drei Kollegen mit dem Schlauchboot gekentert.
Zweiter Feuerwehrmann weiter vermisst
Vermisst wird in Bayern zudem ein weiterer Feuerwehrmann. Der 22-Jährige war im schwäbischen Offingen in der Nacht zum Sonntag mit einem Boot der DLRG-Wasserrettung unterwegs gewesen. Das mit fünf Einsatzkräften besetzte Boot war aufgrund starker Strömung gekentert. Vier Einsatzkräfte im Alter zwischen 24 und 70 Jahren konnten sich demnach aus eigener Kraft an Land retten und blieben unverletzt. Nach dem 22-Jährigen suchten kurz darauf Helfer der Freiwilligen Feuerwehren, der DLRG-Wasserrettung, der Wasserwacht, der Bundeswehr und der Polizei.
Passagierschiff evakuiert
In Deggendorf in Niederbayern wurde wegen des Hochwassers ein Passagierschiff evakuiert. Mehr als 140 Menschen würden seit den Mittagsstunden vom Schiff gebracht, sagte eine Sprecherin des Landratsamts am Montag. Wegen des Hochwassers an der Donau könne das Schiff nicht weiterreisen. Bei den Passagieren handle es sich überwiegend um ältere Menschen. In dem Landkreis wurde am Montag der Katastrophenfall ausgerufen, wie Landrat Bernd Sibler (CSU) im sozialen Netzwerk Instagram sagte. Dies diene der besseren Koordination der Maßnahmen.
Mehr als 3000 Menschen seien derzeit «in der Evakuierung», Tendenz steigend, sagte Söder in Reichertshofen. Rund 20.000 Hilfskräfte seien im Einsatz. Insgesamt seien es seit dem Wochenende schon um die 50 000 gewesen.
Scholz sichert Solidarität zu
Söder war gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (beide SPD) in das am Vortag überflutete Reichertshofen gekommen. Scholz sicherte den Betroffenen des Hochwassers in Süddeutschland Solidarität zu. Solidarität sei das, «was wir als Menschen am meisten brauchen», sagte er. «Wir werden alles dazu beitragen, auch mit den Möglichkeiten des Bundes, dass hier schneller weiter geholfen werden kann.» Solidarität sei «geübte Praxis». «Das gehört sich so und so ist Deutschland.»
Scholz: Menschen müssen sich wegen Klimawandel auf Katastrophen einstellen
Die Menschen in Deutschland müssten sich vermehrt auf Naturkatastrophen, besonders auf Hochwasser, einstellen, betonte Scholz auch. «Das ist in diesem Jahr das vierte Mal, dass ich in ein konkretes Einsatzgebiet gehe», sagte er und nannte dies einen «Hinweis darauf, dass was los ist». Die «Aufgabe, den Menschengemachten Klimawandel aufzuhalten», dürfe nicht vernachlässigt werden. «Auch das ist eine Mahnung, die aus diesem Ereignis und dieser Katastrophe mitgenommen werden muss.»
Söder sprach von Ereignissen, «die es vorher nicht gab». Man müsse sich Klimaschutz und Klimaanpassung noch viel stärker widmen, sagte er. «Es gibt keine Vollkaskoversicherung gegen den Klimawandel.»
Söder will Polder-Strategie ausbauen
Milliarden seien bereits in den Hochwasserschutz gesteckt worden, sagte der Ministerpräsident. Die Polder-Strategie müsse aber ausgebaut und fortgesetzt werden - auch wenn sich in betroffenen Gebieten Widerstand gegen die Einrichtung neuer Hochwasserschutzmaßnahmen rege.
An diesem Dienstag wolle sich das bayerische Kabinett mit der Hochwasserkatastrophe und schnellen, unbürokratischen Hilfen befassen, kündigte Söder an. «Das Wasser kommt relativ kurz, aber die Schäden sind sehr sehr lang.»
Faeser sieht Lerneffekte aus Ahrtal-Katastrophe
Faeser sah bei dem Besuch in Reichertshofen Lerneffekte aus der Katastrophe im Ahrtal. Sie sei beeindruckt, wie gut die Rettungskräfte zusammenarbeiten, sagte sie. Ihr Eindruck sei, «dass nach dem Ahrtal auch die Lehren daraus gezogen wurden, dass das viel besser funktioniert in der Koordinierung, in der Zusammenarbeit».
Faeser zeigte sich beeindruckt von dem Zusammenhalt in der Region und betonte die große Bedeutung des Ehrenamtes. Der im Einsatz gestorbene Feuerwehrmann habe «unter Einsatz seines Lebens andere Menschenleben gerettet». «Was Menschen im Ehrenamt auf sich nehmen, um andere zu retten, ist unfassbar großartig.» Das Ehrenamt werde viel zu wenig gewürdigt. Sie sprach den Angehörigen des Mannes ihr «tief empfundenes Beileid» aus.
Schwere Hochwasser auch in Ostbayern erwartet
Derweil verlagerte sich der Hochwasser-Schwerpunkt weiter nach Osten: Der Wasserstand der Donau steigt und steigt. Der Hochwassernachrichtendienst Bayern rechnet damit, dass die Donau ab Regensburg flussabwärts ähnlich viel Wasser führen wird wie beim Hochwasser 2002. Mit rund 2850 Kilometern Länge ist die Donau der zweitlängste Fluss Europas.
Doch auch in Schwaben konnte am Montag von Entwarnung keine Rede sein. Dort drohten weitere Dammbrüche wegen des dramatischen Hochwassers. Im Landkreis Donau-Ries wurde die Bevölkerung der Orte Heißesheim und Auchsesheim am Montag erneut aufgefordert, das Gebiet umgehend zu verlassen, weil Dämme nachgeben könnten. «Mit einer Überflutung der gesamten Ortsgebiete muss gerechnet werden», teilte die Kreisbehörde in Donauwörth mit, nachdem bereits am Sonntagabend gewarnt wurde. Notunterkünfte seien eingerichtet worden. Auch für die anderen bislang evakuierten Bereiche könne keine Entwarnung gegeben werden.
Deutscher Wetterdienst rechnet weiter mit Regen
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) rechnete auch im Laufe des Montags mit schauerartigem und zum Teil ergiebigem Regen. Betroffen sei vor allem die Südhälfte Bayerns, teilte ein DWD-Sprecher in München mit.
Auch die Nacht zu Dienstag wird laut Deutschem Wetterdienst in Teilen Schwabens und Oberbayerns von Dauerregen geprägt sein. Gebietsweise werden voraussichtlich 40 bis 50 Liter pro Quadratmeter in etwa 18 Stunden fallen. An den Alpen könne diese Menge lokal auch bis zu 60 Liter pro Quadratmeter betragen, im Ober- und Ostallgäu teils sogar bis zu 65 Liter pro Quadratmeter.
Söder sagte bei seinem Besuch in Reichertshofen, nun heiße es: «Hoffen, dass wir die nächsten Tage gut überstehen». Er betonte: «Wir bleiben in Halb-Acht-Stellung.»
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