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Eine halbe Milliarde Hilfe für die leidende Baywa

Ein wichtiger Abnehmer für die Getreideernte vor allem im Süden und Osten Deutschlands ist die Baywa. Doch das Unternehmen ist in Schwierigkeiten  / Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Ein wichtiger Abnehmer für die Getreideernte vor allem im Süden und Osten Deutschlands ist die Baywa. Doch das Unternehmen ist in Schwierigkeiten / Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Die Schuldenkrise beim größten deutschen Agrarhändler Baywa führt dazu, dass Landwirte im Süden Deutschlands nach neuen Abnehmern für ihre Getreideernte suchen. Die Auswirkungen sind spürbar.

Der unter Milliardenschulden ächzende Mischkonzern Baywa wird von Gläubigerbanken und Hauptaktionären mit einer kurzfristigen Finanzspritze von über einer halben Milliarde Euro gestützt. Damit soll sichergestellt werden, dass der für Bauern und die Lebensmittelversorgung vor allem im Süden Deutschlands wichtige Mischkonzern liquide bleibt. Wie die Baywa mitteilte, hat das Hilfspaket mehrere Bestandteile, zum Großteil Kredite in Höhe von zusammen knapp 400 Millionen Euro. Zudem muss die Baywa auf Basis eines Stillhalteabkommens mit den Banken vorübergehend keine Verbindlichkeiten tilgen. 

Die wichtigsten Gläubigerbanken stellen einen Überbrückungskredit von 272 Millionen Euro zur Verfügung, befristet bis Ende September und mit Verlängerungsoption bis Ende Dezember. Hauptaktionäre der Baywa sind die Beteiligungsgesellschaften der Genossenschaften in Bayern und Österreich: die Bayerische Raiffeisen Beteiligung(BRB)  und die Raiffeisen Agrar Invest (RAIG) steuern Gesellschafterdarlehen in Höhe von 125 Millionen Euro bei. Auf der anderen Seite verkauft die Baywa ihren eigenen 45-Prozent-Anteil an der BRB für 120 Millionen an DZ-Bank und die BRB. Hinzu kommen noch der Verkauf von Getreide und eines kleineren Firmenanteils für zusammen 30 Millionen Euro nach Österreich. 

«Damit ist es gelungen, zusätzliche Liquidität in Höhe von insgesamt 547 Mio. Euro zu erhalten und die Finanzierung der BayWa AG bis mindestens 30. September 2024 zu sichern», hieß es in der ad hoc-Mitteilung.

Über fünf Milliarden Euro Finanzschulden 

Die aus der Genossenschaftsbewegung hervorgegangene Baywa mit ihren weltweit rund 24.000 Mitarbeitern hat kurz- und langfristige Finanzschulden in Höhe von etwa 5,6 Milliarden Euro. Das Hauptproblem: Wegen des schnellen Anstiegs der Kreditzinsen hat sich die Zinsbelastung der Baywa von 2021 bis 2023 auf 362 Millionen Euro verdreifacht. Dieses Jahr fing ebenfalls teuer an: Allein im ersten Quartal dieses Jahres überwies die Baywa 97 Millionen Euro Zinsen an die Banken. Das Unternehmen ist Deutschlands größter Agrarhändler, die zwei weiteren Geschäftsfelder sind erneuerbare Energien und Bau. Die schwache Weltkonjunktur tat ihr Übriges und hat alle drei Geschäftsbereiche gleichzeitig getroffen. 

Sanierungsplan bis Ende September geplant

Ein längerfristiger Sanierungsplan soll nicht lange auf sich warten lassen: Die Unternehmensberatung Roland Berger sitzt an einem Gutachten. Der Baywa-Vorstand geht laut Mitteilung zufolge davon aus, dass damit bis Ende September «ein Konzept für eine nachhaltige Sanierung sowie eine Neuregelung der Finanzierung erreicht werden kann». Größter Brocken ist ein Konsortialkredit mit einem Rahmen von bis zu zwei Milliarden Euro, der im September 2025 ausläuft.

Erblast einer Expansion auf Pump

Die Schulden des S-Dax-Konzerns gehen zum Großteil auf die Amtszeit des früheren Vorstandsvorsitzenden Klaus Josef Lutz zurück, der kürzlich im Gespräch mit der «Süddeutschen Zeitung» die Verantwortung von sich wies. Der Präsident des bayerischen Industrie- und Handelskammertags saß bis zum Frühjahr 2023 auf dem Baywa-Chefsessel. Unter Lutz' Ägide wandelte sich das Unternehmen zu einem weltweit präsenten Konzern, finanziert auf Kredit. 

In 50 Ländern aktiv

Lutz baute einerseits das neue Geschäftsfeld der erneuerbaren Energien auf, die Baywa r.e. als wichtige Beteiligung plant und baut heute Solar- und Windparks in etlichen Ländern. Dieses kapitalintensive Geschäft soll nun «neu aufgestellt werden», wie es in der Mitteilung hieß. Komplett vom Ökostrom-Geschäft trennen will sich der Vorstand offenkundig nicht: «Davon unabhängig sieht die Baywa die Wachstumschancen auf den 
Märkten für erneuerbare Energien weiterhin gegeben.»

Der frühere Vorstandschef vergrößerte aber auch das Agrargeschäft ganz erheblich. Da die Baywa mittlerweile in 50 Ländern aktiv ist, würde eine Insolvenz rund um den Globus besorgte Fragen am Agrarmarkt nach sich ziehen, ob und wie diese internationalen Tochtergesellschaften und Beteiligungen ihren Geschäftsbetrieb fortsetzen können. 

Die Baywa kennt nicht jeder, ihre Äpfel aber viele 

Ein Beispiel: In Neuseeland wurde die Baywa unter Lutz' Ägide Mehrheitseignerin des Apfelproduzenten Turners & Growers (T&G), der Plantagen auf allen Kontinenten betreibt und seine Früchte in 60 Länder verkauft. So sind in deutschen Supermarktregalen die beiden T&G-Apfelsorten «Envy» und «Jazz» häufig zu finden. 

Unruhe auf dem Agrarmarkt

Zu spüren war die Unruhe bereits auf dem deutschen Agrarmarkt in Gebieten mit starker Baywa-Präsenz. Etliche Bauern suchten in den vergangenen Wochen einen anderen Abnehmer für ihre Getreideernte, wie mehrere Agrarhändler berichten. Den Marktanteil der Baywa in ihren bayerischen Kernlanden schätzt ein führender Fachmann grob auf an die vierzig Prozent, genaue Zahlen gibt es jedoch nicht. Panik ist unter den Bauern aber demzufolge nicht ausgebrochen, manche Beobachter hatten sogar noch größere Absetzbewegungen erwartet. Zahlungsausfälle oder -verzögerungen seitens der Baywa sind nicht bekannt geworden. 

Ein quasi unverzichtbares Unternehmen - auch für Österreich

Doch dass der Baywa geholfen werden würde, war quasi von Beginn an klar. Denn das Unternehmen gilt für Bauern und Lebensmittelversorgung vor allem im Süden Deutschlands als systemrelevant. Die Baywa hält darüber hinaus einen großen Anteil an ihrem österreichischen Gegenstück Raiffeisen Ware Austria (RWA), deren Chef Reinhard Wolf dem Vorstand beider Unternehmen angehört, und die sich nun auch am Hilfspaket beteiligt. 

Suche nach den Schuldigen?

In der Finanzszene ebenso wie in der Landwirtschaft läuft seit Wochen die Diskussion, wer für die Probleme verantwortlich ist. Der Aufsichtsrat ist daher auch mit der Frage konfrontiert, ob er mit dem derzeitigen Baywa-Führungspersonal weiter arbeiten oder Konsequenzen ziehen will. Der heutige Vorstandschef Marcus Pöllinger wurde ehedem von Lutz gefördert, im Vorstand ist er seit 2018, an der Baywa-Spitze seit Frühjahr 2023. Finanzvorstand Andreas Helber verantwortet sein Ressort seit 2010. 

Bereits vor Monaten von der Baywa getrennt hat sich Pöllingers Vorgänger: Lutz wechselte im Frühjahr 2023 - ohne die übliche «Abklingphase» - unmittelbar vom Vorstand an die Spitze des Aufsichtsrats. Doch wenige Monate später gab es Krach, so dass Lutz Anfang dieses Jahres seinen Posten an der Spitze des Kontrollgremiums wieder räumte.

 

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