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Deutscher Alpenverein gedenkt den Ausgeschlossenen am 100. Jahrestag

2011 haben die Alpenvereine ihre Nazivergangenheit mit einer umfangreichen Veröffentlichung aufgearbeitet. (Archivfoto)    / Foto: picture alliance / dpa
2011 haben die Alpenvereine ihre Nazivergangenheit mit einer umfangreichen Veröffentlichung aufgearbeitet. (Archivfoto) / Foto: picture alliance / dpa

Jahrzehnte hat sich der Alpenverein schwergetan mit der Aufarbeitung seines Antisemitismus in der Nazi-Zeit. Nun erinnert der Bergsportverband offensiv an einen dunklen Abschnitt.

Der Deutsche Alpenverein (DAV) lenkt anlässlich eines unrühmlichen Jahrestages den Blick auf sein Vorgehen in der Zeit des Nationalsozialismus. Schon 1924 präsentierte sich der Bergsportverband antisemitisch und schloss die jüdisch erachtete Sektion Donauland aus dem Deutschen und Österreichischen Alpenverein (DuOeAV) aus. Zum 100. Jahrestag am 14. Dezember erinnert der DAV am Freitagabend an die Ausgeschlossenen - und positioniert sich gegen Intoleranz und Hass.

«Die Erinnerung an die Vergangenheit ist für uns Auftrag und Verpflichtung, uns entschlossen gegen jede Form von Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung zu stellen», sagt DAV-Präsident Roland Stierle. «Unser Ziel ist es, die Berge als Ort der Begegnung, Offenheit und Vielfalt zu bewahren.»

Ein unbequemes Erbe

Der DAV hatte über Jahrzehnte das braune Erbe unter den Teppich gekehrt. In den vergangenen Jahrzehnten setzte er sich aber intensiv wissenschaftlich mit seiner Vergangenheit auseinander. Mit dem 2011 erschienenen Buch «Berg Heil! Alpenverein und Bergsteigen 1918–1945» widmeten sich DAV, Österreichischer Alpenverein (ÖAV) und Alpenverein Südtirol (AVS) gemeinsam der Geschichte.

Früher als andere Vereine hat sich der Alpenverein antisemitisch gezeigt, Juden diskriminiert, sich zum Zusammenschluss Deutschlands mit Österreich bekannt, nationalsozialistische und völkische Werte vertreten. Der DAV, daran ließen die Wissenschaftler bei der Aufarbeitung keinen Zweifel, war mehr als eine Mitläuferorganisation. Schon in den 1920er Jahren waren Wege oder Hütten mit Hakenkreuzen markiert; auf Hütten gab es Schilder: «Juden unerwünscht». 

Entwicklung im historischen Kontext 

Dies steht freilich auch in einem historischen Kontext. Ab Ende der 1870er-Jahre zeichnete sich ein neuer Antisemitismus in der Gesellschaft ab. Im Alpenverein schlug sich das ab den 1890er-Jahren nieder. Sektionen beantragten, in ihren Satzungen «Arierparagraphen» einzuführen, den Ausschluss von Jüdinnen und Juden, wie der DAV ausführt. Insbesondere in den akademischen Sektionen seien nationalistische, antisemitische und völkische Ideen verbreitet gewesen, schreiben die Geschäftsbereichsleiterin Kultur, Friederike Kaiser und ihr Kollege Max Wagner. 

Ein Grund dafür, dass gerade der Alpenverein einen fruchtbaren Nährboden für Antisemitismus und völkisches Denken bildete, war laut Kaiser und Wagner das Verständnis von Natur, Kultur und Gesellschaft im Verband. 

Im Zuge der Auflösung alter Welterklärungsmuster wie Religionen oder Ständesystemen sei Natur zu einem Haltgeber und Wertemaßstab geworden. Bergsteigen wiederum wurde zur heroischen Tat stilisiert - und machte die Bergsteiger zu einer elitären Gemeinschaft von Auserwählten, wie die DAV-Experten schreiben. Hier zeigten sich antiliberales Potenzial und Schnittmengen zu Elementen völkischer Ideologie. Hinzu kam die Erzählung der «geknechteten Deutschen» durch «landfremde Geldmächte» - das Judentum.

Stimmen des Widerstands

Beileibe nicht alle waren einverstanden - auch nicht mit dem Ausschluss der Sektion Donauland, gegründet von Juden und Liberalen eben wegen der zunehmenden Diskriminierung. Der freiheitliche Alpinist Johann Stüdl, damals 85 Jahre alt, kritisierte wütend das «himmelschreiende Unrecht», wie Wissenschaftler bei ihren Recherchen herausfanden.

Schon 1922 dichtete ein empörter Gast auf der Lizumer Hütte ins Hüttenbuch:
«Jesus! Höre und merke es gut, wie sie Dein Gebot verachten!
Kämst du gar selbst, geborener Jud, Müsstest du draußen verschmachten.»

Jüdische Betroffene wiederum schilderten in einem Kommentar in der Zeitung «Das Jüdische Echo» von dem Gefühl, dass sich «die uns umgebenden unsichtbaren, aber umso mehr fühlbaren Ghettomauern uns immer enger einschließen».

Späte Aufarbeitung und neue Zeichen

Ab den 1970er Jahren thematisierten Wissenschaftler die Vergangenheit. Es dauerte noch Jahrzehnte, bis die 600-seitige Aufarbeitung «Berg Heil!» vorlag - ein provokativer Titel, da der Ruf heute nicht unumstritten ist. Bezeichnend für den Umgang mit der Nazi-Zeit nach 1945 beschreibt die Veröffentlichung etwa eine Wolldecke, bei der die Aufschrift «Hermann Göring» einfach überstickt wurde. 

Der DAV engagierte sich auch mit der Einrichtung des Friesenberg-Hauses als internationale Begegnungsstätte im Jahr 2003 gegen Intoleranz und Hass, im vergangenen Jahr eröffnete der ÖAV die Donauland-Hütte neu. Gerade vor dem Hintergrund aktueller politischer Entwicklungen in Deutschland wolle der DAV mit seiner Erinnerungs- und Kulturarbeit ein Zeichen für eine inklusive und offene Gesellschaft setzen, unterstrich der weltgrößte Bergsportverband.

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