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UNAIDS: Weltweiter Kampf gegen Aids und HIV am Scheideweg

Am Montag beginnt die Welt-Aids-Konferenz in München, zu der mehr als 10.000 Teilnehmer erwartet werden. / Foto: Sabine Dobel/dpa
Am Montag beginnt die Welt-Aids-Konferenz in München, zu der mehr als 10.000 Teilnehmer erwartet werden. / Foto: Sabine Dobel/dpa

Die bayerische Landeshauptstadt München wird zum Treffpunkt der weltgrößten wissenschaftlichen Zusammenkunft zur Bekämpfung des Aids-Erregers HIV mit über 10.000 Teilnehmenden aus mehr als 175 Ländern.

Mit einem Aufruf zu einem stärkeren Kampf gegen HIV und gegen die Diskriminierung besonders betroffener Gruppen hat in München die Welt-Aids-Konferenz begonnen. Erstmals nach gut 30 Jahren gastiert das weltgrößte Treffen zum Thema HIV und Aids damit wieder in Deutschland. Seither gibt es immense Erfolge. Dennoch sind die Vereinten Nationen noch weit von ihrem Ziel entfernt, die Immunschwäche-Krankheit bis 2030 weitgehend zu besiegen. 

«Der Weg, der Aids beendet, ist kein Geheimnis. Es ist eine politische und finanzielle Entscheidung», betonte das UN-Programm für die Bekämpfung von Aids, UNAIDS, bei der Veröffentlichung seines neuen Reports. Immer noch sterbe jede Minute ein Mensch an den Folgen von Aids, sagte Winnie Byanyima, Exekutivdirektorin von UNAIDS. 

Wenn die Verantwortlichen jetzt die Mittel aufstocken und unter anderem die Rechte von besonders betroffenen Gruppen schützten, könne das UN-Ziel für 2030 noch erreicht werden. Zu diesen Gruppen zählen Männer, die Sex mit Männern haben, Transgender-Menschen, Sexarbeitende und Menschen, die Drogen injizieren. Erfolge im Kampf gegen Aids gebe es insbesondere in Afrika südlich der Sahara, obwohl dort die Zahlen weiter hoch sind. Vor allem in der Region Osteuropa und Zentralasien stiegen jedoch die Neuinfektionen. 

Es gebe unglaubliche medizinische Fortschritte, sagte Sharon Lewin, Präsidentin der Internationalen Aids-Society (IAS), die als weltweit größte Vereinigung von HIV-Fachleuten die Konferenz organisiert. Aber überall auf der Welt gebe es Hindernisse wie eine regressive Politik, Angriffe auf die Menschenrechte, Fehlinformationen und finanzielle Kürzungen.

Scholz sagt Deutschlands weitere Unterstützung zu

Bundeskanzler Olaf Scholz bekräftigte zum Auftakt der Konferenz das gemeinsame Ziel, die Aids-Epidemie bis 2030 weitgehend zu beenden. Als einer der größten Geber beteilige sich Deutschland im aktuellen Zyklus mit 1,3 Milliarden Euro am Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids; Tuberkulose und Malaria. Er reicht von 2023 bis 2025. Darüber hinaus unterstütze Deutschland auch künftig UNAIDS und die Weltgesundheitsorganisation.

Die UN wollen Neuinfektionen und Aids-assoziierte Todesfälle von 2010 bis 2030 um über 90 Prozent senken. Die Entscheidungen, die Staats- und Regierungschefs in diesem Jahr treffen, werden laut UNAIDS darüber bestimmen, ob dies erreicht wird und Aids bis 2030 damit nicht mehr als Bedrohung für die öffentliche Gesundheit angesehen werden müsse. 

Community präsentiert sich kämpferisch

Zum Auftakt der Konferenz, zu der bis Freitag an die 10.000 Teilnehmer erwartet werden, präsentierte sich die Community bunt und kämpferisch. Tosenden Applaus gab es für den Auftritt des ugandischen Trans-Mannes Jay Mulucha. Es sei wichtig da zu sein und gehört zu werden, rief er vor hunderten Zuhörern. Zuvor hatte er geschildert, wie gefährlich es für HIV-positive Transgender-Personen in Uganda sei. Es sei nicht sicher, auf der Straße unterwegs zu sein, man laufe Gefahr, geschlagen, angegriffen und festgenommen zu werden. «Ich muss jeden Tag genau planen.» In Uganda droht seit 2023 bei «schwerer Homosexualität» die Todesstrafe. UNAIDS fürchtet, dass die großen Fortschritte des Landes im Kampf gegen HIV nun gefährdet sind. 

Für lokales Flair sorgten die Schwuhplattler, eine Gruppe schwuler Schuhplatter - deren Mitglieder vor allem nach der Gründung vor rund 25 Jahren in bayerischen Trachtenvereinen oftmals nicht wohlgelitten waren. 

Weit von Zwischenziel entfernt

Im vergangenen Jahr infizierten sich nach Daten des Reports rund 1,3 Millionen Menschen neu mit dem Virus. Als Zwischenziel sollten die jährlichen Neuinfektionen bis 2025 auf unter 370.000 gesenkt werden - im Jahr 2023 lag die Zahl damit aber immer noch 3,5-mal so hoch. 

Die Zahl der Todesfälle infolge von Aids war mit 630.000 zwar nur noch halb so hoch wie noch 2010. Die Welt sei jedoch nicht auf Kurs, um das Zwischenziel für 2025 zu erreichen, die Aids-bedingten Todesfälle auf unter 250.000 zu reduzieren.

Auch wenn die Zahl der Menschen mit antiviraler Behandlung gestiegen ist: Noch immer hat fast jeder vierte Betroffene keinen Zugang zu lebensrettenden Medikamenten - die auch eine Weiterverbreitung des Virus verhindern. Ausgerechnet Kinder sind benachteiligt: Haben von den Infizierten ab 15 Jahren 77 Prozent Zugang, so sind es bei den Kindern bis 14 Jahren nur 57 Prozent.

Dem UNAIDS-Report zufolge könnte sich die Zahl der mit HIV Lebenden, die eine lebenslange Behandlung benötigen, bis 2050 auf etwa 29 Millionen stabilisieren, wenn die Politik jetzt die notwendigen Maßnahmen ergreife. Es werde deutlich höhere Kosten verursachen, wenn Aids nicht entsprechend bekämpft werde. Dann könne die Zahl der Menschen, die lebenslange Unterstützung benötigen, auf 46 Millionen steigen. Im Jahr 2023 waren es 39,9 Millionen. 

 

Erfolg im südlichen Afrika, Sorge um Osteuropa 

Die HIV-Neuinfektionen gingen laut UNAIDS seit 2010 weltweit um 39 Prozent zurück, im östlichen und südlichen Afrika sogar um 59 Prozent. In drei Regionen der Welt seien sie jedoch gestiegen: in Lateinamerika sowie in der Region Naher Osten und Nordafrika, vor allem aber in der Region Osteuropa und Zentralasien. 2023 wurden in der Region Osteuropa und Zentralasien 140.000 neue Infektionen gemeldet, ein Anstieg um 20 Prozent im Vergleich zu 2010. Die weitaus meisten der neuen HIV-Infektionen konzentrieren sich auf Russland, die Ukraine, Usbekistan und Kasachstan. 

Die Region ist zudem die einzige weltweit, in der sich die Zahl der Aids-bedingten Todesfälle seit 2010 erhöhte, und zwar um 34 Prozent auf 44.000 Tote im Jahr 2023. Test- und Behandlungsprogramme seien für viele Menschen in der Region nicht verfügbar. Nur etwa die Hälfte der Betroffenen dort erhalte eine antiretrovirale Therapie.

In Russland gebe es für Drogenkonsumenten kaum Zugang zu sauberen Spitzen, es werde geleugnet, dass es Transgender-Personen überhaupt gebe, schilderte Andriy Klepikov als ein regionaler Co-Vorsitzender der Aids-Konferenz. Wie aber könne Menschen geholfen werden, die es offiziell gar nicht gebe? 

Finanzielle Mittel fehlen 

Die globalen Finanzmittel für den Kampf gegen HIV in Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen gehen laut UNAIDS zurück. 2023 sanken sie im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent auf 19,8 Milliarden US-Dollar (18,2 Milliarden Euro). Sie lagen damit um 9,5 Milliarden unter dem bis 2025 benötigten Betrag von 29,3 Milliarden US-Dollar. 

Noch viel zu lernen 

Der örtliche Kongresspräsident Christoph Spinner sagte mit Blick auf 1993, als die Welt-Aids-Konferenz in Berlin gastierte, damals habe es wenig Hoffnung auf eine erfolgreiche Bekämpfung von HIV und Aids gegeben. Man sei weit gekommen, Deutschland sei auf einem guten Weg. Doch auch hierzulande gebe es viel zu lernen, sagte Spinner. Bayern könne sogar von anderen deutschen Regionen lernen. Die Umsetzung bewährter Strategien zur Schadensminderung wie Substitutionsprogramme und sichere Drogenkonsumräume könnten Leben retten. «Wir fordern die Behörden hier auf, der Wissenschaft zu folgen.» Die Staatsregierung lehnt Drogenkonsumräume strikt ab, obwohl mehrere bayerische Städte sie seit langem wollen und sie in anderen Bundesländern selbstverständlicher Bestandteil des Hilfsangebots für Drogenkonsumenten sind.

Prävention

Die Verwendung von Kondomen bleibt Experten zufolge die wirksamste und kostengünstigste Methode zur HIV-Prävention, jedoch würden sie immer weniger genutzt. Der Zugang zu Mitteln zur Prävention von Infektionen wie der medikamentösen Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) sei außer in wohlhabenden Ländern gering. Hoffnungen ruhen auf künftigen injizierbaren Medikamenten, die teils nur noch alle sechs Monate verabreicht werden müssen, und auf Vaginalringen, die in der Scheide antiretrovirale Substanzen abgeben.

 

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