Edgar ist ein Klischee von einem Mann in den 60ern: der Lebemann, der um die verlorene, jugendliche Attraktivität trauert und erst mit Ende 60 merkt, dass das Leben vielleicht mehr zu bieten gehabt hätte als ein schönes Haus in Starnberg oder ein schickes Auto und seidene Bademäntel.
Das dämmert dem Stand-Up-Comedian, als plötzlich seine Ex-Frau in seinem Publikum sitzt, die er seit Jahrzehnten nicht gesehen hat. Eva wollte ihm nicht am Telefon sagen, dass sie Bauchspeicheldrüsenkrebs im Endstadium hat, sich wegen der schlechten Heilungschancen nicht behandeln lassen will und nur noch wenige Monate zu leben hat. Diese Monate, so sagt sie, sollen schön werden. Sie will sie nicht im Krankenhaus verbringen.
Und dann geht alles ganz schnell: Eva begleitet Edgar auf seine Tour, geht mit ihm auf einen Ball, weil sie endlich mal wieder tanzen will. Die beiden verbringen die Nächte im Luxushotel in der Hamburger Elbphilharmonie und geben sich am Strand von Sylt dem LSD-Rausch hin. Ohne große Umwege findet das Paar von damals wieder zusammen - kitschiges Duett am Klavier inklusive - und doch kann nichts und niemand etwas daran ändern, dass ihre Tage in Zweisamkeit gezählt sind.
Ochsenknecht und Harfouch als (Ex-)Paar
Im Film «Die Ironie des Lebens» von Regisseur Markus Goller, der an diesem Donnerstag in die Kinos kommt, spielen zwei Hochkaräter des deutschen Films dieses tragische Paar: Uwe Ochsenknecht (68, «Schtonk») ist Edgar, Corinna Harfouch (69, «Lara») die krebskranke Eva. «In der Schauspielerei ist es wie beim Tennis. Einen tollen Ballwechsel gibt es nur, wenn der Mitspieler den Ball nicht nur annimmt, sondern auch gut zurückspielt. Oft kommt da leider gar nichts zurück, aber bei Corinna kommt es vierfach zurück», sagte Ochsenknecht im Interview der Deutschen Presse-Agentur nach der Weltpremiere in München. Der Film sei eine «emotionale Achterbahn» gewesen. Er habe ihn in «schwindelnde emotionale Höhen» katapultiert.
Und Kabarettist Hannes Ringlstetter, der als Comedy-Berater an den Stand-Up-Comedy-Szenen mitgearbeitet hat und die Weltpremiere moderiert, betont: Einen solchen Film zu machen «geht nur, wenn man nie das Gefühl verliert».
Das Problem: Dieses Gefühl erreicht den Zuschauer leider nicht. Viel zu unvermittelt flammt die Liebe des seit seinem halben Leben getrennten Paares wieder auf, viel zu sehr bleibt im Unklaren, was die beiden trennte und was sie dann so schnell wieder verbindet. Und so reihen sich Szenen an Szenen, die durchaus rührend sein könnten, aber keine glaubwürdigen Emotionen vermitteln.
«Da geht es um leise Töne und ganz sensible Momente», sagte Ochsenknecht im dpa-Interview. «Extreme Momente – Wut, Weinen – sind leicht zu spielen. Aber hier kommt es auf kleine Nuancen an.» Diese und die hervorragende Harmonie zwischen den Hauptdarstellern bekommen aber gar nicht so viel Raum wie sie brauchen, weil der Film manchmal zu krampfhaft versucht, die ganz großen Emotionen darzustellen. So bleiben sie viel zu sehr an der Oberfläche, weil sie nicht aus den Figuren und ihrer Motivation heraus entstehen, sondern ihnen übergestülpt scheinen.
Und das gilt nicht nur für die viel zu schnell zur Romanze übergehenden Beziehung von Eva und Edgar, sondern auch für die zwischen Edgar und den gemeinsamen Kindern Melli (Emilia Schüle) und Patrick (auch im wirklichen Leben Harfouchs Sohn: Robert Gwisdek).
Vaterkomplexe, Wut - und schnelle Versöhnung
Melli verarbeitet ihren Vaterkomplex damit, dass sie sich selbst als Komikerin auf Youtube versucht und fällt Edgar, an den sie sich nicht erinnern kann, weil er die Familie verließ, als sie noch ganz klein war, dann doch zeitnah um den Hals. Schließlich kann er sich endlich dazu aufraffen, ihre Videos anzuschauen und kommt dann auch noch zu einem ziemlich gnädigen Urteil. Das entschädigt Melli offenbar überraschend schnell für Jahrzehnte der väterlichen Abwesenheit. Patricks Wut ist ein wenig hartnäckiger, hält aber selbstverständlich auch nur bis zur Versöhnung am Sterbebett der Mutter.
Produzent Oliver Ziegenbalg, der auch das Drehbuch geschrieben hat, hat diesem eine sehr persönliche Geschichte zugrunde gelegt: Als sein Onkel an Krebs erkrankte, sich nicht behandeln lassen wollte und schließlich starb, sei es zu Versöhnungsszenen am Sterbebett gekommen, sagt er bei der Premiere.
Die Charaktere im Film aber bleiben - bei aller Tragik - holzschnittartig. Was sie bewegt, bleibt zuweilen offen und weil auch der Schrecken der tückischen Krebserkrankung höchstens anklingt, als Eva sich einmal schmerzverzerrt auf dem Hotelbett krümmt, wird aus einer Geschichte, die individuell und emotional sein könnte, ein sehr klischeehafter und vorhersehbarer Film, bei dem man das Gefühl nicht loswird, all diese Bilder schon einmal gesehen, all die Dialoge schon einmal irgendwo gehört zu haben. «Die Ironie des Lebens» ist ein Film, der berühren soll, dafür bewährte Klischees und Bilder bemüht, nahezu mechanisch auf die Tränendrüse drückt, aber nicht unter die Haut geht.
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