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Oberammergau: Steiniger Weg zur nächsten Kreuzigung

Stückl und sein Ziehsohn Karaca wollen sich gemeinsam um die Spielleitung bewerben. / Foto: Angelika Warmuth/dpa
Stückl und sein Ziehsohn Karaca wollen sich gemeinsam um die Spielleitung bewerben. / Foto: Angelika Warmuth/dpa

Drama ums Drama: Fast sechs Jahre vor der nächsten Passion gibt es Unruhe in Oberammergau. Wer bekommt die Spielleitung? Nun gibt es offenbar einen Weg - und die Frage soll rasch entschieden werden.

Noch ist es nicht vollbracht - aber auf dem Weg zur nächsten Kreuzigung geht es voran: Der Bewerbungsfrist um die Spielleitung für die berühmte Passion in Oberammergau endet fast ein Vierteljahr früher als geplant; schon in zwei Monaten soll der Spielleiter für 2030 feststehen. Der Gemeinderat habe den 8. September als Bewerbungsschuss festgelegt, am 16. Oktober wollen die Räte über die Personalie entscheiden, sagte der Oberammergauer Bürgermeister Andreas Rödl der Nachrichtenagentur dpa. 

Erstmals in der fast 400-jährigen Geschichte des weit über Deutschlands Grenzen hinaus bekannten Laienspiels gibt es überhaupt ein solches Bewerbungsverfahren. Rund um die Spielleiter-Debatte rumorte es erheblich in dem kleinen Dorf am Fuß der Berge. 

Mutmaßlicher Streit zwischen Stückl und Karaca beigelegt

Vor allem sorgte ein drohender mutmaßlicher Konkurrenzkampf zwischen dem langjährigen Spielleiter Christian Stückl und seinem bisherigen Stellvertreter und Ziehsohn Abdullah Karaca für Unruhe. Der 35-jährige Karaca überlegte zeitweise offenbar, gegen seinen Mentor anzutreten. Stückl hatte ihn 2015 in das Leitungsteam geholt - als erster Muslim in der Geschichte der Passion wurde er stellvertretender Spielleiter. Nicht alle im Ort fanden das damals gut. 

Jetzt sollen sich beiden im Gespräch geeinigt haben: Sie wollen sich laut Rödl gemeinsam bewerben. Spekuliert wird, dass Karaca Stückl dann die Position des ersten Spielleiters überlassen würde. Eine Doppelbewerbung ist bisher in der Geschichte der Passion auch nicht bekannt. Weder Stückl noch Karaca waren für eine Stellungnahme erreichbar. 

Darüber hinaus gibt es einen weiteren Bewerber, der aber bisher kaum Erfahrung mit Inszenierungen auf großen Bühnen hat - anders als Stückl, der auch Intendant des Volkstheaters ist, und Karaca, der dort regelmäßig inszeniert hat. Sollte es bei diesen Bewerbungen bleiben, wäre ein Spielleiter Stückl für 2030 nicht unwahrscheinlich. 

Bewerbungsfrist vorgezogen

Ursprünglich sollten Interessenten bis Jahresende Zeit haben, den Hut in den Ring zu werfen. Allerdings war die lange Frist nicht geeignet, die Wogen im Dorf zu glätten. Schon planten Unterstützer Stückls ein Bürgerbegehen zu seinen Gunsten. 

Anfang August beschloss der Gemeinderat, den Bewerbungsschluss in den September vorzuziehen. Nicht ganz klar ist, wie die Bewerbung auszusehen hat. Der Gemeinderat habe sich nicht festgelegt, ob sie mündlich oder schriftlich eingereicht werden müsse, sagte Rödl.

«Bisher habe ich nur mündliche Bewerbungen vorliegen - keine schriftlichen», sagte Rödl. Sollten sich über die bekannten Bewerber hinaus weitere melden, «würde es mich eher wundern». Nicht zuletzt ist der Kreis begrenzt auf Oberammergauer, die das Spielrecht haben, haben werden oder hatten - die also im Ort geboren sind oder 20 Jahre dort lebten. 

Am 16. Oktober soll die Entscheidung fallen

Die Gemeinde wolle nochmals zur Bewerbung aufrufen, sagt Rödl. Der Zeitplan dann: Am 16. September sollen die Bewerber den Fraktionsspitzen präsentiert werden; der Gemeinderat hat sich vorbehalten, eine Vorauswahl zu treffen. Am 10. Oktober stellen sich die Bewerber in einer Bürgerversammlung vor, am 16. Oktober soll der Gemeinderat entscheiden.

So früh wie kaum je zuvor stünde dann fest, wer 2030 das Laienspiel über das Leiden, den Tod und die Auferstehung von Jesus Christus leitet. Denn bis auf der riesigen Freilichtbühne wieder gekreuzigt wird, sind es noch gut fünfeinhalb Jahre hin. Einem Pestgelübde von 1633 folgend bringen die Oberammergauer alle zehn Jahre die Passion auf die Bühne. 

Vier Mal hat Stückl, bei seiner ersten Passion 1990 jüngster Spielleiter aller Zeiten, das biblische Drama mit großem Erfolg inszeniert - und schon vor einem Jahr klargemacht: Er würde das gern ein fünftes Mal tun. 

Stückl ist seit 1990 im Amt

Doch manchem in dem 5000-Seelen-Ort scheint der 62-jährige, seit fast 40 Jahren Spielleiter und durchsetzungsstark, wenn es um die Sache geht - zu mächtig geworden. Andere wiederum sehen in ihm den Erneuerer, der die Passion entstaubt, von christlichen Anti-Judaismen befreit und mit eindrucksvollen Inszenierungen zum gefragten Kulturereignis gemacht hat.

Ein Antrag der Parteilosen Wählergemeinschaft, die Spielleitung erstmals auszuschreiben, hatte vor einigen Monaten für den ersten Aufruhr gesorgt. Der Gemeinderat folgte dem Antrag dann in modifizierter Form. 

«Es geht nicht darum, dass man ihn nicht mehr haben will», erläuterte Bürgermeister Rödl damals mit Blick auf Stückl. Vielmehr gehe es darum, mehr Transparenz zu schaffen und zu sehen, ob es Bewerber gebe, an die man bisher nicht gedacht habe. Die Gemeinde wolle sich nicht vorwerfen lassen, dass die Spielleitung hinter geschlossenen Türen ausgekartelt werde.

Stückl: «Da hängt mein Herz dran» 

Stückl, Ehrenbürger des Ortes und für seine Arbeit für die Passionsspiele vielfach hochkarätig ausgezeichnet, war enttäuscht. Auch am Münchner Volkstheater mangelt es ihm keineswegs an Arbeit. Aber die Passion ist mehr. «Da hängt mein Herz dran.» 

Für Stückl, zutiefst katholisch geprägt, ging es dabei stets auch darum, die Botschaft Jesu zu verkünden, eindringlich, emotional - und auf die aktuelle Zeit bezogen. Auch damit brachte er das Laienspiel voran, bei dem er in eindrucksvollen Massenszenen teils Hunderte Menschen auf der Bühne dirigiert. An der Passion darf jeder Oberammergauer mitwirken, der mindestens 20 Jahre im Ort lebt oder dort geboren ist - mehr als 2000 Oberammergauer waren bei der Passion 2022 auf und hinter der Bühne beteiligt.

Die vergangene Passion unter Stückls Spielleitung war auch finanziell ein enormer Erfolg. Fast eine halbe Million Menschen kam zu den Vorstellungen. Das Stück spielte 48 Millionen Euro ein - ein riesiger Wirtschaftsfaktor für den kleinen Ort. 

 

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