Star-Tenor Jonas Kaufmann will sich für seine erste Saison als Intendant der Tiroler Festspiele Erl selbst Starthilfe geben. «Es ist ein Teil meines Auftrags, das Haus zu füllen», sagte er am Freitag. Und er habe das Glück, fast immer vor ausverkauftem Haus zu singen. Darum übernimmt der 54-jährige Münchner, der inzwischen in Salzburg lebt, in seiner ersten Spielzeit die Titelrolle in der Richard-Wagner-Oper «Parsifal», die künftig immer zu Ostern in Erl gespielt werden soll, und singt außerdem den Siegmund in einer konzertanten Aufführung der Wagner-Oper «Die Walküre». Die Verhandlungen zwischen Intendant und Sänger seien hart gewesen, scherzte der Tenor.
Das Festival, das derzeit in der öffentlichen Wahrnehmung im Vergleich zu den Festspielen in Salzburg, Bregenz oder auch den Richard-Wagner-Festspielen in Bayreuth eher ein Schattendasein führt, soll international bekannter werden, sagte Kaufmann: «Es geht darum, dieses Festival in der internationalen Wahrnehmung des Publikums nach vorne zu bringen.»
Zwar seien die Festspiele als eine Art Anti-Bayreuth gegründet worden, «als Bayreuth aus der Vergangenheit in die Zukunft gesprungen ist. Das haben manche der Zuseher nicht mitgemacht, die fanden dann in Erl die Alternative, wo man behutsamer mit dem Meister umgegangen ist.» Aber: «Grundsätzlich sind wir keine Konkurrenz oder Alternative direkt zu Bayreuth. Bayreuth ist ein Festival, das nur einem einzelnen Komponisten gewidmet ist, das sind wir überhaupt nicht», sagte Kaufmann im Interview der Deutschen Presse-Agentur.
Ihm gehe es vor allem um Gefühl, Musikgenuss und auch Unterhaltung und nicht darum, das Publikum in irgendeiner Weise zu erziehen. Dagegen, dass gesellschaftspolitische Überzeugungen in Werkinterpretationen einfließen, sei ja nichts einzuwenden, sagte Kaufmann, dessen sechsjährige Intendanz am 1. September beginnt. «Die Frage ist, ob ich das mit subtilen Nadelstichen mache oder mit dem Zaunpfahl.»
Früher sei es üblich gewesen, dass Dirigenten, Sänger oder Schauspieler auch Häuser leiteten. Heute sei das aber «quasi inexistent». Dabei sei es «spannend und eigentlich auch wichtig, dass solche Häuser von Menschen geführt werden, die wissen, wie es sich anfühlt, auf der Bühne zu stehen», sagte Kaufmann. Er hoffe, dass sein Beispiel vielleicht Schule macht und es den Verantwortlichen einfalle, «doch mal bei den Künstlern nachzufragen, wenn der nächste Intendant bestellt wird».
Kaufmann, der auch außerhalb seines eigenen Hauses weiter als Sänger auftreten will, plant, in Erl sehr präsent zu sein - von Jahr zu Jahr mehr. «Man wird ja nicht jünger und ich versuche schon seit Jahren, etwas den Fuß vom Gas zu nehmen, was mir nicht immer gelingt», sagte er. Außerdem komme sein Kind nächstes Jahr in die Schule, darum müsse er sich wieder mehr an einen Ort binden. «Die Zeit, die ich mir nehme für Erl, bedeutet ja auch Zeit, die ich in der Nähe meiner Familie verbringen kann.» Das bedeute allerdings nicht, dass er dann in Erl mehr singen werde. «Das ist eigentlich nicht der Plan, ich will Intendant hier sein.»
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