Die bayerischen Städte und Gemeinden rechnen in ungewöhnlich scharfer Form mit den Bürokratieabbau-Plänen von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ab - und lassen eine Verfassungsklage prüfen. Das geht aus einem Brief von Gemeindetagspräsident Uwe Brandl und Städtetagschef Markus Pannermayr (beide CSU) an die Staatskanzlei hervor.
Man werde verfassungsrechtlich prüfen lassen, ob einzelne Vorhaben einen unverhältnismäßigen Eingriff in die kommunalen Planungs- und Satzungshoheit darstellen. Das Schreiben von Anfang Juli liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. Als erstes hatte der «Münchner Merkur» und dann die «Süddeutsche Zeitung» berichtet.
In dem Brief nehmen Brandl und Pannermayr viele Maßnahmen regelrecht auseinander, die Söder in seiner Regierungserklärung zum Bürokratieabbau angekündigt hatte. Demnach soll das Baurecht in Bayern entschlackt und vereinfacht werden. Für viele Maßnahmen sollen keine Baugenehmigungen mehr nötig sein, etwa für Dachausbauten oder die Umwandlung von Büroflächen zu Wohnraum. Abstandsflächen sollen flexibilisiert, landesweite Stellplatzpflichten sollen gestrichen werden und ähnliche Dinge mehr.
«Staatsregierung hat jegliches Gespür verloren»
«Als politisch denkende Kommunalpolitiker fällt es uns schwer zu glauben, dass die Staatsregierung im Rahmen dieses Vorhabens den großen Schaden für die Allgemeinheit und den minimalen Nutzen für das Bauen ausreichend abgewogen hat», heißt es in dem an Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) adressierten Schreiben.
Die Vorhaben stellten «einen unfreundlichen Akt gegenüber über 2000 Städten, Märkten und Gemeinden dar, dessen Effekt auf Baukosten und Bürokratie völlig untergeordnet sein wird». In mehreren Bereichen habe die Staatsregierung «jegliches Gespür für Inhalt und Wirkung - auch in der Öffentlichkeit - verlassen», kritisierten die Chefs der beiden kommunalen Spitzenverbände.
Vorhaben inhaltlich «völlig aus der Zeit gefallen»
Unter anderem die Abschaffung der staatlich angeordneten Stellplatzpflicht und die Abschaffung der Möglichkeit zur Regelung der Freiflächengestaltung in gemeindlichen Satzungen halte man «inhaltlich, politisch, verfassungsrechtlich sowie mit Blick auf ein gutes Miteinander von Staat und Kommunen für völlig misslungen».
«lnhaltlich wirken die Vorhaben völlig aus der Zeit gefallen und ignorieren die großen Themen unserer Zeit, namentlich die Klimaanpassung, die Biodiversitätskrise, die Notwendigkeit der Durchgrünung unserer Siedlungsbereiche, aber auch Fragen der Mobilitätswende und der Sozialgerechtigkeit.»
Kommunen fürchten mehr Bürokratie
Die Kommunen fürchten letztlich eher mehr Bürokratie - wenn alle Kommunen nun selbst neue Satzungen erlassen müssen. Zudem dürften Städte und Gemeinden zukünftig keine örtlichen Bauvorschriften für die Begrünung von Freiflächen mehr erlassen - das kritisierten Gemeindetag- und Städtetag auch in einem Brief an alle ihre Mitglieder vom 12. Juli.
Grünen-Fraktionsvize Johannes Becher kritisierte ebenfalls: «Ministerpräsident Söder und seine CSU kündigen an entbürokratisieren zu wollen, aber zu Lasten der Kommunen und des Ortsbilds. Das ist der völlig falsche Ansatz.»
Das deutlichste Beispiel für diesen Irrweg sei das neu geplante Verbot kommunaler Gestaltungssatzungen für Freiflächen. «Damit werden nicht nur das Ortsbild prägende Steuerungsmöglichkeit von heute auf morgen abgeschafft, sondern auch Schottergärten dort ermöglicht, wo sie bisher untersagt waren», sagte Becher.
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