Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat einen bundesweit aktiven islamistischen Verein verboten, den der Verfassungsschutz für ein «bedeutendes Propagandazentrum Irans in Europa» hält. Nach Angaben ihres Ministeriums rückten am frühen Morgen insgesamt rund 670 Polizisten aus, um die Verbotsverfügung gegen das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) und fünf Teilorganisationen zu vollziehen. In Hamburg durchsuchten maskierte Polizisten unter anderem die Imam Ali Moschee, im Volksmund auch bekannt als Blaue Moschee. Die Razzia richtete sich laut Bundesinnenministerium gegen Konten und Gebäude in insgesamt acht Bundesländern.
Das IZH verbreite als direkte Vertretung des iranischen «Revolutionsführers» in aggressiv-kämpferischer Weise die Ideologie der sogenannten «Islamischen Revolution» in Deutschland, hieß es in einer Mitteilung des Ministeriums. «Mir ist es dabei sehr wichtig, klar zu unterscheiden: Wir handeln nicht gegen eine Religion», betonte Faeser. Die friedliche schiitische Glaubens- und Religionsausübung sei ausdrücklich nicht von dem Verbot berührt.
Aus Protest gegen das Verbot berief das Außenministerium des Irans den deutschen Botschafter in Teheran ein. «Wir können bestätigen, dass unser Botschafter in Teheran heute in das iranische Außenministerium einbestellt wurde», hieß es aus dem Auswärtigen Amt. Das iranische Ministerium begründete die Einbestellung laut Nachrichtenagentur Irna damit, dass die Entscheidung der deutschen Regierung zum Verbot des Islamischen Zentrums inakzeptabel sei.
Das Auswärtige Amt in Berlin teilte mit, dass im Außenministerium in Berlin auch ein dringendes Gespräch mit dem iranischen Botschafter stattgefunden habe.
Das Bundesinnenministerium gab bekannt, im Zuge des Verbots würden insgesamt vier schiitische Moscheen geschlossen. In Deutschland existieren schätzungsweise 150 bis 200 schiitische Gemeinden. Was mit dem nun beschlagnahmten Vereinsvermögen, insbesondere der Blauen Moschee, geschehen soll, kann erst geklärt werden, wenn das Verbot rechtskräftig wird.
Sichergestellt wurden laut Ministerium unter anderem eine große Zahl an IT-Geräten, zwei Fahrzeuge, mindestens 100.000 Euro Bargeld, Schriften sowie Unterlagen mit Bezug zu den verbotenen Terrororganisationen Hisbollah und Hamas.
Razzien in mehreren Bundesländern
Razzien und Beschlagnahmungen in Zusammenhang mit dem Verbot gab es laut Mitteilung in Hamburg, Bremen, Berlin, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Bayern. Bei den insgesamt 53 Objekten handelte es sich um Moscheen, Vereinsräume, Privatwohnungen und Bankkonten. Allein an den Durchsuchungen in Frankfurt am Main und Bad Homburg waren nach Angaben des hessischen Innenministeriums 83 Polizisten beteiligt. In Berlin erstreckte sich die Razzia auf drei Wohnungen und das Islamische Zentrum Berlin im Stadtteil Tempelhof, wo die Polizei ein Schild mit dem Vereinsnamen entfernte.
Das IZH sei eine extremistische islamistische Organisation, die verfassungsfeindliche Ziele verfolge, hieß es in der Mitteilung des Bundesinnenministeriums. Nach den gegen das IZH gerichteten umfassenden Durchsuchungsmaßnahmen vom vergangenen November hätten sich die schweren Verdachtsmomente erhärtet, sagte Faeser. Die Ideologie des Vereins richte sich gegen Frauenrechte, gegen eine unabhängige Justiz und den demokratischen deutschen Staat.
Unterstützung der proiranischen Hisbollah
Außerdem unterstützten das Islamische Zentrum Hamburg und seine Teilorganisationen die Terroristen der proiranischen libanesischen Hisbollah und verbreiteten «einen aggressiven Antisemitismus», erklärte die Bundesinnenministerin. Das American Jewish Committee Berlin begrüßte das Verbot. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, nannte es «konsequent». Aggressiver Antisemitismus sei ein Kernelement einer «Ideologie des Hasses, die sich gegen uns alle richtet».
Dutzende Polizisten riegelten am frühen Morgen in Hamburg die Blaue Moschee ab. Laut einem Reporter der Deutschen Presse-Agentur begannen sie mit der Durchsuchung des schiitischen Gotteshauses. Der Verfassungsschutz stuft den Verein, der die Moschee betreibt, als extremistisch und vom Iran gesteuert ein. Laut einem dpa-Reporter stürmten etwa zeitgleich in Berlin mehrere Polizisten das Gebäude eines schiitischen Vereins.
Schließung schon seit Jahren gefordert
Seit Jahren gibt es Forderungen nach einer Schließung des IZH. Auch der Bundestag hatte die Bundesregierung aufgefordert zu prüfen, «ob und wie das Islamische Zentrum Hamburg als Drehscheibe der Operationen des iranischen Regimes in Deutschland geschlossen werden kann». Die Hamburgische Bürgerschaft forderte ebenso die Schließung des Zentrums.
Das Bundesinnenministerium begründet das Verbot des IZH nun unter anderem damit, dass sich dessen Zweck und Tätigkeit gegen die verfassungsmäßige Ordnung richteten und den Strafgesetzen sowie den völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands zuwiderliefen.
Das IZH agiere «äußerst konspirativ», um nach außen den Eindruck zu erwecken, eine tolerante und rein religiöse Einrichtung ohne politische Agenda oder Anbindung zu sein. Man habe aber Belege gefunden, dass das IZH und sein Leiter vom «Obersten Revolutionsführer» des Iran ausdrücklich angewiesen worden seien, sich «intensiv und unerschütterlich für die Grundlagen der Revolution einzusetzen, ohne Kompromisse einzugehen».
Positives Echo aus den Ländern
Mehrere Landesinnenminister begrüßten das Verbot. «Das Verbot des IZH und seiner Teilorganisationen ist ein empfindlicher Schlag gegen islamistische Bestrebungen in Deutschland», sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) betonte: «Die heutigen Maßnahmen zeigen, dass fortwährende Angriffe auf unsere zentralen Grundprinzipien wie dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip nicht hingenommen werden.» Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) sprach von einem klaren Zeichen, dass der deutsche Rechtsstaat in der Lage sei, entschlossen zu handeln.
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sagte: «Unsere Sicherheitsbehörden haben das IZH seit vielen Jahren intensiv beobachtet, sind konsequent gegen das IZH vorgegangen und haben das Verbotsverfahren des Bundes mit ihren Erkenntnissen wirksam unterstützt.»
Positiv wertete die Entscheidung auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Ihr stellvertretender Bundesvorsitzender Sven Hüber sagte, das Vorgehen gegen das IZH sei eine «Warnung an andere solche Organisationen und den Iran», dass die Finanzierung islamistischer Terrororganisationen und die Verbreitung religiös motivierter Hasspropaganda, auch gegen jüdische Menschen in Deutschland, nicht hingenommen werde.
Verbot war aus Sicht vieler Politiker «überfällig»
Mehrere Politiker der FDP, der Grünen und der Union kritisierten, das Verbot komme reichlich spät. «Das Islamische Zentrum Hamburg war viel zu lange das Spionagenest des iranischen Regimes», sagte der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai nannte das Verbot «überfällig». Der Hamburger CDU-Politiker Christoph de Vries sagte, in den Sicherheitsbehörden und unter Experten verstehe niemand, weshalb die Bundesinnenministerin so lange für die Schließung des IZH gebraucht habe. Denn die Faktenlage sei längst «wasserdicht» gewesen.
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