Bayerns Alm- und Alpbauern fürchten bei der geplanten Novellierung des Tierschutzgesetzes um den Fortbestand der traditionellen Weidewirtschaft. Komme das Gesetz in der jetzigen Fassung, stünden viele Familienbetriebe vor dem Aus, warnten der Bayerische Bauernverband (BBV), der Almwirtschaftliche Verein Oberbayern (AVO) und der Alpwirtschaftliche Verein im Allgäu (AVA). Das bringe gravierende Folgen für Biodiversität und Tourismus in der bayerischen Bergwelt.
Im Kern geht es um das Ende der Anbindehaltung, bei der Kühe das ganze Jahr im Stall angebunden sind. Nach einer mehrjährigen Übergangsfrist sollen die Milchbauern dem Entwurf zufolge bundesweit auf Laufställe oder Kombihaltung umstellen. Bei der Kombihaltung - im Winter im Stall, im Sommer auf der Weide oder der Alm - sollen die Tiere künftig in der Stallzeit zweimal die Woche Auslauf erhalten. Das wiederum gilt nur für Betriebe mit bis zu 50 Rindern, die älter sind als sechs Monate. In den Dörfern fehle vielerorts allein schon der Platz für einen solchen Winterauslauf, kritisierten die Bauern unter dem Motto #daswäreweg.
Bauern fürchten um Existenz
Zwei Drittel der Kombihalter in Bayern könnten laut BBV die Vorgaben nicht erfüllen. Die Vorgaben seien existenzbedrohend. «Was es braucht, um einen Strukturbruch zu verhindern, ist Zeit für die Weiterentwicklung sowie den dauerhaften Fortbestand der klassischen Kombinationshaltung ohne überzogene Auflagen wie einen zusätzlichen Winterauslauf», sagt BBV-Präsident Günther Felßner.
Die Regelung gefährde den Bestand von Almen und damit auch den Bestand der über Generation gepflegten Kulturlandschaft, sagt Hans Stöckl, Geschäftsführer des AVO. Almen und Alpen würden verbuschen, Almhütten als touristisches Ziel verschwinden. «Dies wäre das Ende für unsere Kleinbauern in den Dörfern, die ihre Kühe auf die Sennalpen bringen, das Ende der Alp und der Talbetriebe, die den Dorfcharakter prägen», sagt auch Christian Brutscher, Vorsitzender des AVA.
Unbeweidete Hänge seien zudem anfälliger für Erdrutsche. Auf nicht beweidetem Gras erhöhe sich auch die Rutschgeschwindigkeit von Schnee - und damit die Gefahr von Lawinen, heißt es weiter.
Kein Platz im Dorf für Auslauf
Die geplante Obergrenze von höchstens 50 Rindern müsse gestrichen werden, verlangten die Bauern. Sie stehe in keinem Zusammenhang zu Tierschutz und Tierwohl; diese starre Linie sei für einen lebenden Betrieb nicht praktikabel. Kombihaltung betrieben meist kleine Familienbetriebe mit Ställen im Ortskern, die ihren Tieren zeitweise Bewegung ermöglichten, etwa durch Weidegänge zwischen Frühjahr und Herbst. Strukturell bedingt habe aber das Gros der betroffenen Höfe weder die baulichen noch die personellen oder finanziellen Ressourcen, um die geforderten Auflagen umzusetzen.
Die Almbauern wollen ihre Sorgen auch bei der Hauptalmbegehung am Mittwoch bei Oberammergau an die Politik herantragen. Unter anderem wollen Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne), Bayerns Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) dabei sein.
In Bayern gibt es rund 1.500 Almen und Alpen. Etwa 55.000 Rinder, Schafe, Ziegen und Pferde verbringen dort den Sommer. Bundesweit gibt es rund 28.300 Anbindebetriebe, wie der BBV unter Berufung auf das Thünen-Institut berichtet. Über 10.000 Milchviehbetriebe mit Anbindehaltung bestehen demnach in Bayern, davon sind 3.500 Kombinationshalter, die ihre Tiere im Sommer auf die Weide schicken.
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