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Freude und Sorge bei der CSU: Karlsruhe kippt Ampel-Wahlrechtsreform

Markus Söder - hier vor Beginn der Kabinettssitzung am Bug eines Donauschiff vor der Kulisse des Donaudurchbruchs - freut sich über das Karlsruher Wahlrechtsurteil. / Foto: Peter Kneffel/dpa
Markus Söder - hier vor Beginn der Kabinettssitzung am Bug eines Donauschiff vor der Kulisse des Donaudurchbruchs - freut sich über das Karlsruher Wahlrechtsurteil. / Foto: Peter Kneffel/dpa

Karlsruhe kippt die Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition, CSU jubelt über Sieg und sorgt sich um Folgen. ÖDP kündigt Klage gegen Bayerns Wahlrecht an.

So zufrieden hat man Markus Söder lange nicht erlebt. «Das ist ein klarer Erfolg für die CSU und Bayern - und eine Klatsche für die Ampel», jubelt er über das Wahlrechtsurteil des Bundesverfassungsgerichts. Zwar gibt es einen Haken, der für einzelne CSU-Bundestagskandidaten noch sehr schmerzhaft sein könnte. Doch das Entscheidende ist: Die CSU muss sich keinerlei Sorgen mehr machen, aufgrund des neuen, von der Ampel-Koalition durchgesetzten neuen Wahlrechts aus dem Bundestag zu fliegen.

Bislang hatte die sogenannte Grundmandatsklausel die CSU-Existenz im Bundestag gesichert. Nach ihr zogen Parteien auch dann in der Stärke ihres Zweitstimmenergebnisses ins Parlament ein, wenn sie unter der Fünf-Prozent-Hürde lagen, aber mindestens drei Direktmandate gewannen. Und die CSU holte ja stets die allermeisten Wahlkreise in Bayern direkt. Die Ampel allerdings strich die Klausel - was bei einem weiteren Absinken (2021 holte die CSU bundesweit 5,2 Prozent) die christsoziale Berliner Zukunft gefährdet hätte.

Zwischenzeitlich hatte es in der CSU besorgte Überlegungen über einen Plan B gegeben - eine Listenverbindung mit der CDU, doch irgendwann bundesweit antreten? Weiterverfolgt wurde nichts davon - auch weil die Union insgesamt und die CSU in Umfragen zulegten und klar wurde, dass die Fünf-Prozent-Hürde bei der nächsten Wahl keine Gefahr sein dürfte.

«Wahlmanipulation der Ampel entlarvt»

Nun aber hat Karlsruhe diesen Teil der Wahlrechtsreform gekippt. «Die Wahlmanipulation der Ampel ist entlarvt und richterlich verworfen worden», sagt Söder. Damit sei nach menschlichem Ermessen sichergestellt, dass die CSU im nächsten Bundestag vertreten sei.

Und mehr noch: Das Gericht stellt klare Leitplanken auf, wie eine Sperrklausel (also die Fünf-Prozent-Hürde) verfassungsgemäß modifiziert und ausgestaltet werden könnte. Der Gesetzgeber darf demnach nicht «über das zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundestages Erforderliche» hinausgehen. Und nicht erforderlich ist es aus Sicht des Gerichts, Parteien wie die CSU bei der Sitzverteilung unberücksichtigt zu lassen, wenn diese ohnehin eine gemeinsame Fraktion mit den Abgeordneten einer anderen Partei bilden und beide zusammengenommen über fünf Prozent holen. Was bei CDU und CSU der Fall ist.

Das Gericht stellt die CSU hier also durchaus auf eine etwas andere Stufe als andere Parteien - betont aber auch, dass der Gesetzgeber nicht zwingend diese Möglichkeit der gemeinsamen Berücksichtigung zweier eng kooperierender Parteien schaffen muss. «Vielmehr kann er die Sperrklausel auch in anderer Weise modifizieren», heißt es weiter.

Urteil mit Wermutstropfen

Das Urteil ist aber nicht durchgängig Grund zur Freude für die CSU, es gibt einen kleinen, aber feinen Haken. Auch Söder spricht von einem Wermutstropfen: weil Karlsruhe einen anderen zentralen Teil des neuen Wahlrechts gebilligt hat. So ist für die Zahl der Sitze im Bundestag nun allein das Zweitstimmenergebnis einer Partei entscheidend - auch dann, wenn sie mehr Direktmandate geholt hat. Dann haben die Wahlkreisgewinner mit den schlechtesten Erststimmenergebnissen das Nachsehen. 

Das dürfte nach Lage der Dinge einzelne CSU-Kandidaten treffen, zum Beispiel in Städten wie München. Zudem kontert das Gericht in seiner Begründung eine klassische CSU-Argumentation, mit der diese allzu gerne auf Stimmenfang geht: Es wäre «verfehlt, Wahlkreisabgeordnete als Delegierte ihres Wahlkreises anzusehen», heißt es im Urteil. 

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagt in Karlsruhe, eine Konstruktion, die einzelne gewählte Direktkandidaten anschließend für nicht gewählt erklärt, sei für Bürgerinnen und Bürger kaum vermittelbar. «Aber wir werden es zur Kenntnis nehmen müssen.»

Söder stellt Koalitionsbedingung

Vorerst jedenfalls. Denn Söder kündigt umgehend an, eine unionsgeführte Bundesregierung wolle die neue Zuteilungsregelung wieder korrigieren. «Klar ist auch: Sollten die Wähler uns in der nächsten Regierung sehen, werden wir dieses Ampel-Gesetz umgehend ändern. Das ist für die CSU eine Koalitionsbedingung für eine nächste Bundesregierung», betont er.

Die Freien Wähler, die seit Jahren vergeblich von einem Einzug in den Bundestag träumen, schöpfen unterdessen womöglich etwas Hoffnung. Zwar ist die Fünf-Prozent-Hürde nach wie vor ein gutes Stück von allen Umfragezahlen entfernt. Manche Freie Wähler spekulieren aber tatsächlich darauf, dass es bundesweit für drei Wahlkreissiege reichen könnte - und hatten deshalb, wie die CSU, auf die Wiedereinsetzung der Grundmandatsklausel gehofft.

Entsprechend erfreut kommentiert Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger das Wahlrechtsurteil: «Ich halte das Urteil für vernünftig, dass eine Partei mit drei Direktmandaten weiterhin in den Bundestag kommt, selbst wenn sie nicht fünf Prozent der Stimmen bekommt.»

Nur: Müsste Frontmann Aiwanger am Ende nicht selbst als Wahlkreiskandidat antreten? Aber was würde Söder dann zu seinem Koalitionspartner sagen? Klar ist schon jetzt: Der nächste Bundestagswahlkampf dürfte in Bayern wenig gemütlich werden. Und zwar für alle.

ÖDP will nach Karlsruher Urteil gegen Bayerns Wahlrecht klagen

Das Karlsruher Urteil könnte aber auch noch aus einem anderen Grund für die CSU ungewollte Folgen haben: Angespornt durch die Argumentation des Richterspruchs will die Kleinstpartei ÖDP in Bayern gegen das hiesige Landeswahlrecht klagen.

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